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Einleitung
Experimentelle Ökonomie
Austrian Political Stock Market
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
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Im April 1994 startete das Austrian Political Stock Market-Projekt an der Technischen Universität Wien und stellte damit einen der umfangreichsten Versuche der experimentellen Ökomomie in Österreich dar. Zugleich war der APSM, nach unserem Wissensstand, das erste in Österreich durchgeführte Feldexperiment auf dem Gebiet der experimentellen Ökonomie. So einzigartig diese in Österreich ist, so kann es international gesehen zu einer Reihe von Experimenten gezählt werden, dessen Design R.Forsythe entwickelt hat. Das erste dieser Experimente fand in den USA statt und diente zur Prognose der Präsidentschaftswahlen 1988 (5). Seither wurden eine Vielzahl von politischen Aktienmärkten in verschiedensten Ländern durchgeführt. Die Ergebnisse können in den meisten Fällen als gut und den herkömmlichen Meinungsumfragen als zumindest gleichgestellt, wenn nicht gar als überlegen angesehen werden. In diesem Kontext kann der APSM als einer der kleinsten Realisationen angesehen werden: am Ende des Projektes waren etwas weniger als 50 Teilnehmer mit einem Investitionsvolumen von ungefähr ATS 13.000,00 eingeschrieben, von denen der Großteil auch aktiv am Handel teilnahm.
Das Design von Forsythe erlaubt es, daß die Teilnehmer keine repräsentative Stichprobe der Gesamtbevölkerung darstellen. Beim APSM war es allerdings so, daß die Teilnehmer eine noch homogenere Gruppe als in allen übrigen vergleichbaren Experimenten darstellten: fast alle Teilnehmer studierten an der TU-Wien im 2. Abschnitt Wirtschaftsinformatik. Diese Eigenheiten des APSM waren ein weiterer Streßtest für das Marktdesign, sowie ein Unsicherheitsfaktor für den Erfolg des APSM. Gleichzeitig bot dies aber auch die Möglichkeit, die Auswirkungen einer geringen Teilnehmerzahl in Kombination mit einer sehr homogenen Teilnehmerstruktur zu untersuchen.
Der APSM besteht aus 3 Märkten: ein Markt zur Bestimmung des Ausgangs der EU-Volksabstimmung im Juni 1994, einer zur Nationalratswahl am 9. Oktober 1994 sowie ein weiterer zur Regierungsbildung.
Prinzipiell funktionierten alle drei Märkte nach dem selben
Prizip. Nach der Einzahlung eines beliebigen Betrages auf ein
Konto erhielt jeder Teilnehmer einen Account mit einem dazugehörigen
Paßwort. Das Investionsvolumen mußte mindestens ATS
100,00 betragen, und durfte die obere Grenze von ATS 3.000,00
nicht überschreiten. Der überwiegende Teil der Teilnehmer
waren Studenten, welche durch die aktive Teilnahme als Trader
am APSM ein Praktikumszeugnis erhielten. Um eine aktive Teilnahme
zu fördern wurde zudem ein Punktesystem eingeführt (siehe
3.1.2 PunktesystemAPSMPunktesystem als Motivation zur Teilnahme am APSM
S.16). Neben diesen Studenten bestand für andere Universitätsmitglieder
die Möglichkeit zur Teilnahme, von der auch 7 Personen mit
einem Investitionsvolumen von insgesamt ATS 5.750,00 Gebrauch
machten. Durch diese Teilnehmer wurde das Investionsvolumen von
anfänglich ATS 7.600,00 (6)
auf den Endstand von ATS 13.350,00 erhöht.
Wurden die obgenannten Voraussetzungen erfüllt, konnte man
nun mittels Computer seine Transaktionen abwickeln. In jedem Markt
gibt es nur eine fixe Anzahl unterschiedlicher Aktien. In Markt
EU-Volksabstimmung z.B. gibt eine Aktie für "JA"
bezeichnet als JA-Aktie und eine für "NEIN", welche
analog als NEIN-Aktie bezeichnet wird. Zusammen bilden diese beiden
Aktien ein Aktienbündel. Der Preis eines Aktienbündels
ist auf ATS 10,00 fixiert. Jeder Händler hat die Möglichkeit,
wann immer er will ein solches Bündel um ATS 10,00 vom "Marktmanager"
zu kaufen oder um ATS 10,00 an ihn zurückzuverkaufen. Transaktionskosten
fallen bei keiner Transaktion an. Ein Bündel stellt somit
nichts anderes als 100% der abgegebenen Stimmen dar. Neben dem
Handel mit Bündeln, bei dem weder ein Gewinn noch ein Verlust
erziehlt werden kann, ist es möglich mit den einzelnen Aktien
eines Bündels (besser: eines Marktes) zu handeln. Jedes Bündel
wird nach dem Erwerb automatisch in die einzelnen Aktien aufgeteilt:
z.B. weist das Händlerkonto nach dem Kauf eines Bündels
des Marktes EU-Volksabstimmung je eine JA-Aktie und eine Nein-Aktie
mehr auf. Erst jetzt ist es möglich, entweder eine Ja-Aktie
oder Nein-Aktie zu verkaufen, bzw. von anderen Händlern einzelne
Aktien zu erwerben. (7)
EU-Volksabstimmung | Nationalratswahlen | Regierungsform |
JA-Aktie | SPÖ-Aktie | SP-REG-Aktie (8) |
NEIN-Aktie | ÖVP-Aktie | VP-REG-Aktie (9) |
FPÖ-Aktie | GRO-KOA-Aktie (10) | |
Grüne-Aktie | KOA-SP-Aktie (11) | |
LF-Aktie | KOA-VP-Aktie (12) | |
Andere-Aktie | Andere-Aktie |
Abbildung 1: Die Bündel der einzelnen Märkte
Wie oben bereits erwähnt, war die Teilnahme für die Studenten mit der Erlangung eines Praktikumszeugnisses verbunden. Dies hat allerdings den Nachteil, daß nicht alle, die sich zur Teilnahme bereiterklären, auch wirklich die Absicht haben, aktiv an diesem Experiment teilzunehmen. Für den Erfolg dieses Feldversuches war somit eine Kontrolle der aktiven Teilnahme vonnöten. Als beste und vor allem praktikablste Lösung bot sich die Vergabe von Punkten an. Ein solches Punktesystem; mußte dabei folgenden Anforderungen genügen: Eine Mindestpunktezahl ist zum positiven Abschluß des Praktikums nötig. In die Mindestpunktezahl erreicht, so bedeuten alle darüberhinausgehenden Punkte eine Notenverbesserung. Die Punktevergabe soll nicht sanktionierend sein, um zu verhindern, daß Teilnehmer vor dem Ende aussteigen; auf die Vergabe von Minuspunkten soll deshalb verzichtet werden. Die Punkteverteilung soll so konstruiert sein, daß umso mehr Punkte vergeben werden, je näher die Wahlen kommen. Verluste bzw. Gewinne in der Vergangenheit sollen nicht dazu führen, daß diese über einen längeren Zeitraum Auswirkungen auf die Punktevergabe haben. Die Zuteilung der Punkte soll möglichst gerecht und leicht nachvollziehbar sein. Die Punktevergabe soll in Abhängigkeit vom erzielten Gewinn erfolgen. Aufgrund dieser Anforderungen wurde folgendes Punktesystem entwickelt:
Jeder Teilnehmer wird in Abhängigkeit vom erzielten Gewinn in eine von 11 Klassen eingeteilt. Die so ermittelte Klassenzahl wird dann mit den Punkte multipliziert, die in dieser Periode vergeben werden. Eine Periode betrug am Anfang eine Woche und wurde gegen Ende des Experiments auf zwei Wochen ausgedehnt. Die Klassenzahl geht von 0 bis 10, wobei 0 die schlechteste und 10 die beste Klasse ist. Setzt eine Teilnehmer in einer Periode keine Aktien um, so bedeutet das eine automatische Zuordnung zur Klasse Null, d.h. der Erzielung von Null Punkten. In jeder Periode wird eine Basispunktezahl festgelegt, mit der dann in Kombination mit der Klasse die Punkte jedes einzelnen Teilnehmers berechnet werden konnte. In der ersten Periode wurde die Basispunktezahl mit 100 Punkte festgelegt, die in den darauffolgenden Perioden um 20% und später nur noch um 5% erhöht wurde. Ein Teilnehmer in Klasse 3 erhielt in der ersten Periode z.B. 3*100=300 Punkte, in der 2. Periode um 20% mehr, d.h. 3*(100*1,20)=360 Punkte usw. Diese letzte Eigenschaft des Punktesystems bewirkt, daß der Anreiz steigt, je näher die Wahl kommt.
Der Nachteil eines solchen Punktesystems ist, daß es im Vergleich zu monetären Gewinnaussichten eine relativ schwache Motivation zur Teilnahme ist. Auf diese Tatsache weist Smith in [Smith 1976] S.277 hin. Deshalb scheint die Kombination eines Punktesystem mit dem Einsatz von relativ wenig Geld eine sehr gute bzw. zumindest akzeptable Kombination für den speziellen Fall des APSM zu sein.
Vor Beginn des Experiments Mitte April 1994 wurde eine anonyme Umfrage unter den Teilnehmern durchgeführt. Das Ziel war es zum einen festzustellen ob es sich bei den Teilnehmern um eine repräsentative Gruppe handelt; zum anderen ging es um die Erhebung der politischen Einstellung sowie des politischen Interesses. Folgende Fragen wurden gestellt:
Wie oft lesen Sie den politischen Teil der Tageszeitung in der Woche?
0% keinmal |
6% einmal |
55% zwei- oder dreimal |
39% mehr als dreimal |
Wie oft verfolgen Sie die Nachrichten im Fernsehen (oder Radio)
in der Woche? 0% ein-/keinmal 13% zwei- oder dreimal 87% mehr als
dreimal
Wenn heute Nationalratswahlen wären, welche Partei würden Sie wählen?
14% SPÖ |
31% ÖVP |
0% FPÖ |
24% Grüne |
31% Liberales Forum |
0% Andere Partei |
Wenn heute die Volksabstimmung zum Beitritt Österreichs zur EU wäre, wie würden Sie stimmen?
83% Ja zum Beitritt |
17% Nein zum Beitritt |
Wie schätzen Sie den Ausgang der Nationalratswahlen im
Oktober 1994? (13)
36% SPÖ 29% ÖVP 19% FPÖ 8% Grüne 5% Liberales Forum 3% Andere Partei
Wie schätzen Sie den Ausgang der Volksabstimmung zum Beitritt
Österreichs zur EU im Juni 1994?(14)
56% Ja zum Beitritt 44%
Nein zum Beitritt
Von den Teilnehmer waren 71% männlich und 29% weiblich.
Als Ergebnis dieses Fragebogens kann einmal gesagt werden, daß die Teilnehmer politisch interessiert sind. Eigentlich keine Überraschung war die Tatsache, daß die Teilnehmer keine repräsentative Stichprobe darstellen. Auffallend war hingegen der hohe Anteil an Grün- sowie Liberales Forum-Wählern.
Für die Datenauswertung eines Aktienmarktes gibt es verschiedene Ansätze, die ganz grob in eine technische und fundamentale Analyse unterteilt werden können. Bei der technischen Analyse wird versucht, anhand des Kursverlaufs der vergangenen Tage bzw. Wochen und unter Zuhilfenahme von verschiedenen Indikatoren den zuküftigen Kursverlauf zu prognostizieren. Bei fundamentalen Analyse wird hingegen eine Aktie nach dem inneren Wert bewertet. Die Literatur unterscheidet deshalb zwei Gruppen von Anlegern: die Chartistien und die Fundamentalisten.
Als wichtigstes Werkzeug eines Chartisten können die Charts bezeichnet werden. Auf Ihnen werden die Kurse sowie die Umsätze eingetragen. Auf diesen Charts werden Linien eingetragen, um dadurch bestimmte charakteristische Formationen zu identifizieren. Jede Formation hat in Zusammenhang mit einem niedrigen bzw. hohen Umsatz eine ganz bestimmte Bedeutung. Die Fähigkeit eines guten Chartisten, besteht nun darin, möglichst früh die richtige Formation zu erkennen und danach seine Entscheidungen zu treffen. Und genau darin liegt die Schwierigkeit, denn eine Formation ist erst dann wirklich aussagekräftig, wenn sie fast vollständig ist. Da die Methode der Chartanalyse i.a. sehr beliebt ist, ist die Wahrscheinlichkeit, daß andere Broker dieselbe Formation in ihren Charts einzeichnen, sehr hoch. Dies kann zu einer Selbstbestätigung der Vorhersage führen. Nehmen wir einmal an, daß eine bestimmte Anzahl von Händler aus den Charts abliest, daß die seit langem anhaltende Hausse zu Ende ist und es zu einer Trendumkehr kommen wird. Diese Händler werden nun versuchen ihre Aktien abzustoßen, um Verluste zu vermeiden. Verhält sich eine genügend große Anzahl von Marktteilnehmern so, werden die Preise in der Folge wirklich fallen. All jene die bisher skeptisch über den weiteren Kursverlauf waren, werden aus den fallenden Kursen schließen, daß es wirklich zu einem Kursabschwung kommen wird und ihre Aktien verkaufen, was wiederum dazu führen wird, daß die Kurse weiter fallen. Dieser selbstverstärkende Effekt wird auch als Kaskade bezeichnet. Eine Kaskade wird erst dann beendet, wenn sich die Meinung unter den Teilnehmern in ihr Gegenteil kehrt. Wann ein solcher Meinungswechsel auftritt ist nur ex post zu bestimmen. Obwohl jeder Händler weiß, daß sowohl eine Hausse wie auch ein Baisse nie ewig dauert, und daß die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einer Trendwende kommt mit der Zeit zunimmt, springen dennoch viele auf den bereits fahrenden Zug auf.
Neben den "Chartisten" ist die zweite Gruppe von Anlegern die der "Fundamentalisten", welche als Ausgangspunkt für ihre Entscheidungen die, der jeweiligen Aktie zugrundeliegenden, Fundamentaldaten verwenden. Die Fundamentaldaten beinhalten i.a. den Kapitalwert, der aus den in den folgenden Jahren zu erwartenden Renditen zu berechnen ist. Dieser Wert kann allerdings nie eindeutig bestimmt werden, da die Höhe der zu erwarteten Renditen i.a. nicht im voraus bestimmt werden kann. Auf realen Aktienmärkten hat sich zudem gezeigt, daß der Aktienkurs zeimlich oft vom fundamentalen Wert einer Aktie abweicht. In der Praxis wird der fundamentale Wert einer Aktie aufgrund der zur Verfügung stehenden Unternehmensdaten ermittelt. Liegt der Aktienkurs über dem fundamentalen Wert, so spricht man von Preisblasen (Price Bubbles); Kurse unterhalb des fundamentalen Wertes sind weitaus seltener anzutreffen.
Für eine Baisse bzw. eine Hausse gibt es generell nur zwei Erklärungen: 1. Die Fundamentaldaten haben sich geändert; 2. Spekulation.
Beide Möglichkeiten können zur Erklärung der Kursverläufe von Aktien verwendet werden. Allerdings mit der Einschränkung, daß in vielen Fällen keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob ein Kurssprung nun begründet ist (durch eine Änderungen der Fundamentaldaten) oder nicht (reine Spekulation).
Im folgenden werden wir das Entstehen und das Platzen von Preisblasen näher untersuchen. Das Bubble-Crash Phänomen ist an verschiedesten Stellen dieser Arbeit zu finden, wobei immer versucht wird, auf verschiedene Aspekte einzugehen. Die große Bedeutung die diesem besonderem Abweichen vom inneren Wert einer Aktie zugemessen wird, ergibt sich durch die mächtige Erklärungsfähigkeit für nichtrationalem Traderverhalten, sowie aus der ziemlich gründlichen Untersuchung, sei es nun theoretischer wie auch experimenteller Natur. Grundlegend kann gesagt werden, daß dieses Phänomen robust gegenüber der Marktinstitution sowie anderen Modellparametern ist. Smith [Smith 1988] zeigt in seinen Experimenten, daß spekulative Preisblasen in Aktienmärkten sogar unter der Annahme von (theoretisch) homogenen Informationen (über die zukünftigen Dividendenauszahlungen) auftreten und kommt zum Schluß, daß erst Erfahrung dazu führt, daß homogene Informationen auch zu rationalen Erwartungen werden. Ein weiteres wichtiges Ergebnis einiger Experimente von Williams und Smith [Smith 1988] ist, daß in der letzten Periode die Preise näher am theoretischen Gleichgewicht sind, als in allen anderen Perioden (15). Vom Design her können diese Experimente teilweise mit dem APSM verglichen werden. Die wichtigste Gemeinsamkeit ist darin zu sehen, daß diese Märkte zu einem gewissen, vorher festgelegten, Zeitpunkt terminieren. Der größte Unterschied zwischen APSM und den anderen Experimenten ist die Tatsache, daß erstens die den Händlern zur Verfügung stehenden Informationen nicht kontrolliert werden und zweitens, daß das Endergebnis der Wahlen und damit die angestrebten Aktienkurse nicht ex ante ermittelt, sondern nur ex post verifiziert werden können.
Price Bubbles im APSM
Diese theoretischen Erkenntnisse lassen die Daten des APSM unter einem ganz neuen Licht erscheinen. Obwohl der APSM viele Eigenschaften eines vollkommenen Marktes besitzt, so muß das jedoch nicht bedeuten, daß es sich um einen effizienten Markt handelt (über den gesamten Zeitraum). Informationen, welche die Fundamentalwerte beeinflussen, gehen zwar in den Marktpreis ein, aber der Marktpreis reflektiert diese Informationen mit einem gewissen "Fehler". Dieser Fehler ist zum einen zeitlich begründet, d.h. Informationen gehen nicht wie bei einem vollkommenen Markt mit unendlicher Geschwindigkeit in die Kurse ein. Zu anderen kann durch Spekulation ein Abweichen vom fundamentalen Wert erfolgen.
Interpretation von News
Für einen Händler ist es nicht von Bedeutung welche Auswirkungen er sich von einer neuen Information auf den Kurs einer Aktie erwartet, sondern vielmehr welche Auswirkungen sich der Großteil aller Händler erwartet. Keynes erklärt diese Denkweise sehr anschaulich anhand eines Schönheitswettbewerbs. In einer Zeitschrift werden die Fotos der verschiedenen Kandidatinnen veröffentlicht. Die Leser werden nun aufgefordert, jene auszuwählen, von der Sie glauben, daß sie die Schönste sei. Bei diesem Wettbewerb wird jeder jene Kandidatin wählen, von der er glaubt, daß diese von der Mehrheit als Schönste angesehen wird. Seine eigenen Präferenzen treten somit in den Hintergrund. Für den Aktienhändler bedeutet dies, daß ein Handeln gegen den Trend, d.h. gegen die Meinung der meisten Teilnehmer i.a. nicht gewinnbringend ist. Diese auf realen Aktienmärkten gültige Erkenntis trifft auf den APSM nicht zu, da hierbei die finalen Auszahlungen von einem exogenen Ereignis (dem Wahlergebnis) abhängen. Bevor es allerdings zu einer Auszahlung kommt, sind Gewinne durch "traden" durchaus möglich.
Unter diesem Begriff sollen all jene Tage bzw. Ereignisse identifiziert werden, die entscheidend für den Wahlausgang waren. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, daß bestimmte Vorfälle wie z.B. eine bestimmte Aussage eines Politikers ihren Niederschlag in den Kursen findet. In Anlehnung an Forsythe [Forsythe et al. 1992] sind das jene Tage, die zu einer signifikanten Kursänderung führen. Dabei wird angenommen, daß eine solche Kursänderung begründet ist, d.h. daß neue (signifikante) Informationen in den Markt und damit in den Preis eingeflossen sind. Forsythe bezeichnet solche Tage als News-Days.
Zwei unterschiedliche Vorgehensweisen sollen nun verfolgt werden. Die erste geht von den Daten aus, bestimmt signifikante Kursänderungen und findet das dazu passende politische Ereignis. Bei der zweiten Methode filtert man jene politischen Ereignisse heraus, die für den Wahlausgang als signifikant betrachtet werden und schaut nach, ob es eine Entsprechung in den Daten gibt.
Will man nun eine Übereinstimmung zwischen Kursentwicklung und Ereignis finden so stößt man auf einige nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Die erste ist durch die Tatsache gegeben, daß zwischen dem Zeitpunkt zu dem ein Ereignis erfolgt und dem Eingang in die Kurse ein Timelag besteht. Dieses kann gering, d.h. nur wenige Minuten sein, oder aber einige Tage dauern. Je geringer diese Diskrepanz zwischen dem Ereigniszeitpunkt und der Widerspiegelung in den Kursen ist, desto einfacher ist natürlich eine Identifikation und umso sicherer kann diese erfolgen. Durch die Marktenge des APSM muß angenommen werden, daß es i.a. recht lange dauert bis Neuigkeiten in den Markt einfließen. So zeigen die Kursverläufe, daß es immer wieder Tage gibt, an den zwar gehandelt werden könnte, aber nicht gehandelt wird.
Ein weiteres Problem sind mehr oder weniger zufällige (große) Kurssprünge für die es keine (bekannte) Erklärung gibt (siehe S.129 3.6 Der APSM: ein nichtlineares SystemAPSMnichtlineares System?) und die dadurch zu einer gewissen Unsicherheit bei der Datenanalyse führen.
Es existieren verschiedene Methoden, um News-Days zu identifizieren. Grob können diese in zwei Gruppen unterteilt werden
Forsythe verwendete zur Analyse des politischen Aktienmarktes zu den Präsidentschaftswahlen 1988 ein numerisches Verfahren. Dessen genaue Definition ist in [Forsythe et al. 1992] S.1159 nachzulesen. Ein ähnlicher Ansatz zur Identifikation von News-Days im APSM führten zwar zu ähnlichen Ergebnissen, allerdings können diese nicht mit jenen der durchgeführten graphischen Analyse konkurrieren. Das größte Problem einer numerischen Analyse von News-Days im APSM ist die Tatsache, daß an relativ vielen Tagen keinerlei Umsätze zu verzeichnen waren.
Bei den graphischen Methoden wird im folgenden auf die Trendlinienmethode, die Formationenmethode sowie unter dem Titel Preissignale, auf die (für eine graphische Analyse adaptierte) Methoden aus [O´Hara 1992] zurückgegriffen.
Der Chart für diese Methode besteht grundsätzlich aus zwei Kursverläufen: der Tageskurve und der gleitenden Durchschnittskurve. Das Ziel ist es aus diesen beiden Kurven Kauf- und Verkaufssignale abzuleiten, das heißt eine Prognose des zuküngtigen Kursverlaufes zu erstellen. Im Gegensatz zu einer laufenden Untersuchung von Kursverläufen ist das Ziel bei einer Ex-Post-Untersuchung ein anderes. Für uns soll das Ziel die Identifikation der oben beschriebenen News-Days sein.
Die Tagekurve enthält die jeweiligen Schlußkurse des betrachteten Zeitraumes; die zweite Kurve wird aus der ersteren berechnet, wobei immer angegeben werden muß, über welche Zeitperiode die Durchschnittswerte berechnet werden. Für "normale" Aktien werden 200 Tage verwendet (200-Tage-Durchschnittsindex). Diese Methode muß für die Analyse der APSM-Daten adaptiert werden, um sie sinnvoll anwenden zu können. Offensichtlicher Grund hierfür ist die Tatsache, daß die Dauer des gesamten Experiments nicht viel mehr als 200 Tage waren und ein Markt (EU-Volksabstimmung) deutlich weniger Handelstage hatte. Die weiter hinten angeführten Graphiken mit Durchschnittskurven zeigen die Kursverläufe der jeweiligen Aktie mit gleitenden Durchschnittlkurven für den Zeitraum von 5,10 und 20 Tagen.
Die Schnittpunkte von Durchschnitts- und Tageskurve haben besondere Bedeutungen, die in Abhängigkeit von der Art, wie die Tageskurve die Durchschnittskurve schneidet (von oben oder von unten) sowie von den Umsätzen (steigende/fallende) zu interpretieren sind.
Tageskurve schneidet Durchschnittskurve von unten nach oben:
Tageskurve schneidet Durchschnittskurve von oben nach unten:
Diese Schnittpunkte sollen auch hier wieder helfen, für den Wahlausgang signifikante Ereignisse zu identifizierten. Zwei besondere Arten von Schnittpunkten sind besonders wichtig. Schneidet der 5-Tagedurchschnitt den steigenden 10-Tagedurchschnitt von unten nach oben und erfolgt das gleiche etwas später für den 10- und 20-Tagedurchschnitt, so spricht man von einem sog. "Golden Cross". Diese Kurskonstellation wird als ziemlich eindeutiges Anzeichen für einen Kursanstieg interpretiert. Als Gegenpart zum Golden Cross steht das sog. "Todeskreuz": der 5-Tagedurchschnitt schneidet den fallenden 10-Tagedurchschnitt von oben nach unten, anschließend schneidet dieser den fallenden 20-Tagedurchschnitt. Ein Todeskreuz ist ein guter Hinweis für einen Kurssturz.
Diese Methode der Chartanalyse ist eine sehr beliebte Art und Weise, um den zukünftigen Kursverlauf einer Aktie zu prognostizieren. Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht auf die Details der einzelnen Chartformationen eingegangen werden (siehe [Tvede 1991]). Folgende Formationen sind von besonderer Bedeutung:
Trend bzw. Trendkanal
Ein Trend ist ein anhaltender Kursverlauf, der sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt. Man unterscheidet zwischen einem Aufwärts- und einem Abwärtstrend. Ist es möglich in einem Chart mindestens zwei Höchstpunkte/Tiefstpunkte so zu verbinden, daß die Gerade entweder nach oben oder unten zeigt, so deutet dies auf das Vorhandensein eines Trends hin. Der Trend ist um so sicherer, je mehr Punkte auf der Linie eingezeichnet werden können.
Flagge und Wimpel
Ein Trend wird meist mehrmals unterbrochen, wobei ein Fall die Bildung einer Flagge bzw. eines Wimpels ist. Eine Flagge bzw. ein Wimpel zeigt bei einer Aufwärtsbewegung nach unten und bei einer Abwärtsbewegung nach oben. Beim Entstehen einer solchen Formation ist zu beachten, daß eine Trendumkehr nicht fälschlicherweise als Flage interpretiert wird.
Dreieck
Ein Dreieck nach einer Auf- bzw. Abwärtsbewegung hat meist eine Trendumkehr zur Folge. Der Ausbruch erfolgt dabei meist, nachdem die Formation etwa zu ¾ vollendet wurde. Kehrt der Kurs danach noch einmal in das Dreieck zurück, so könnte der Ausbruch nicht echt und somit keine Trendumkehr, sondern eine Konsolidierung vorliegen.
Rechteck
Ein Rechteck besteht aus einer oberen horizontalen Begrenzunglinie, genannt Widerstandslinie und einer unteren ebenfalls horizontalen Begrenzungslinie, die als Unterstützungslinie bezeichnet wird. Eine solche Formation deutet auf eine Konsolidierung bzw. auf eine Unsicherheit in Bezug auf den weiteren Kursverlauf hin. Immer wenn die Kurse sich der Unterstützungslinie nähern treten neue Käufer auf, die versuchen möglichst niedrig in den Markt einzusteigen. Nähert sich der Kurs der Widerstandslinie, so realisieren einige Anlger ihren Gewinn, indem sie ihre Aktien verkaufen. Wird eine dieser beiden Linien signifikant überschritten, so kommt es meist zu einer Kursentwicklung in die eingeschlagene Richtung und das Rechteck wird verlassen. Die ehemalige Widerstandlinie wird bei einem Ausbruch nach oben zu einer Unterstützungslinie, bei einem Ausbruch nach unten wird umgekehrt die ehemalige Unterstützungslinie zu einer Widerstandslinie.
Doppel-Gipfel und -Böden
Diese Formation ist ein ziemlich verläßliches Zeichen für ein Trendumkehr. Erkannt wird diese Formation durch eine Spitze, gefolgt von einem Boden und einer weiteren Spitze, dessen Niveau meist unterhalb der ersteren liegt. Die erste Spitze deutet auf einen Meinungsumschwung hin; der Boden relativiert die Umkehrbewegung, d.h. es könnte sich bei dieser Abwärtsbewegung nur um eine kurzfristige Kurskorrektur handeln. Die Ausbildung der 2. Spitze macht diese Formation dann komplett, d.h. es ist sehr plausibel, daß eine Trendumkehr erfolgt.
Das Design des APSM basiert auf einem Nullsummenspiel, was bedeutet, daß der Betrag, den ein Händler verliert, ein anderer gewinnt. Die Summe der Gewinne und Verluste ist somit Null. Dies steht in einem starken Gegensatz zu realen Aktienbörsen (16). Der wichtigste Unterschied besteht darin, daß keine Transaktionsspesen noch irgendwelche sonstigen Gebühren verlangt werden. Das gesamte eingezahlte Geld wird nach Marktschluß in Abhängigkeit vom erwirtschafteten Gewinn ausbezahlt. Die folgende Tabelle zeigt die absoluten sowie die prozentuellen Gewinne bzw. Verluste. Die letzteren bewirken nur bei sechs Personen eine andere Reihung, da, wie bereits erwähnt, das Investitionsvolumen für alle Praktikumsteilnehmer auf ATS 100,00 (durch eine unechte Kapitalerhöhung von ATS 100,00 auf insgesamt ATS 200,00 ) festgelegt ist. Betrachtet man die absoluten Gewinne, so beträgt der höchste Gewinn ATS 31,91 und der größte Verlust ATS 53,87. Interessant ist sicherlich die Tatsache, daß unter den fünf besten Händlern nur Praktikumsteilnehmer waren, unter den fünf erfolglosesten Händlern hingegen 2, von insgesamt nur sieben "externen" Teilnehmer. Bei der Reihung nach den prozentuellen Gewinnen ändert sich die Reihenfolge der fünf größten Verlierer: Händler Nummer 48 tauscht seinen vorletzten Platz mit dem, auf dem sechstletzten Platz rangierenden Händler Nummer 46.
Auffallend ist auch das im Vergleich zu den Praktikumsteilnehmern hohe durchschnittliche Investitionsvolumen der sieben anderen Spieler von ATS 821,42. In [Forsythe et al. 1992] wird auf eine positive Korrelation zwischen Investionsvolumen und Gewinn hingewiesen. In diesem sehr engen politischen Aktienmarkt kann dies nicht festgestellt werden. Von jenen 5 Händlern mit einem Investitionvolumen von mehr als ATS 200,00 liegt der erwirtschaftete Gewinn bzw. der Verlust für 3 Händler nicht mehr als ein Prozent; für die restlichen zwei Händler beträgt der Verlust 5,04% und 5,95%. Diese Daten würden eine negative Korrelation zwischen Investitionsvolumen und Gewinn suggerieren; eine solche Hypothese muß schon allein aufgrund des geringen Umfangs der Stichprobe abgelehnt werden.
Die folgenden Diagramme zeigen die Histogramme der Gewinner und Verlierer einmal absolut und einmal prozentuell:
Abbildung 2: Histogramm der absoluten Gewinne/Verluste
Abbildung 3: Histogramm der prozentuellen Gewinne/Verluste
Die Konzeption der Marginal Trader (oder Randhändler) wurde von Forsythe [Forsythe et al. 1992] S.1157 zur Analyse von politischen Aktienmärkten eingeführt, um bestimmen zu können, wann ein Markt (mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit) funktioniert und wann eher nicht. Die Konzeption der Marginal Trader hat bereits eine lange Tradition; gemeint sind damit jene Händler, die die Kursentwicklungen (aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen) richtig einschätzen und deshalb Aktien kaufen, sobald die Kurse steigen und verkaufen, sobald die Kurse fallen. Weiters agieren Randhändler unabhängig von ihrer persönlichen Einstellung, d.h. Parteipräferenzen bleiben unberücksichtigt, währenddessen sie die allgemeine politische Stimmungslage besonders gut bewerten können. Nun wird behauptet, daß dieser Händlertypus die Marktpreise in entscheidender Weise beeinflußt und zwar so stark, daß bereits eine relativ geringe Anzahl dieser Händler garantieren, daß es zu keinem Marktversagen kommt. Für eine möglichst objektive Identifikation ist eine operationale Definition der Randhändler nötig.
Ein Marginal Trader ist demnach ein Händler, der an 3 Tagen hintereinander (in der untersuchten Periode) Limit-Order, die nicht mehr als 2 Cent vom Schlußkurs abweichen, eingibt bzw. Limit-Orders eingibt, die dann auch angenommen werden [Forsythe et al. 1992].
Forsythe weist in [Forsythe et al. 1992] darauf hin, daß diese Definition in einem bestimmten Maße willkürlich gewählt wurde, sodaß echte "Randhändler" ausgeschlossen und "unechte" mit eingeschlossen werden könnten. Allerdings konnten durch diese Definition recht brauchbare Ergebnisse erzielt werden.
In [Forsythe et al. 1992] hat sich gezeigt, daß sich die Gruppe der Marginal Trader, die aufgrund der obigen Definition identifiziert werden konnten, beträchtlich vom Rest der Händlern unterscheidet. Auffälligstes Merkmal ist sicherlich der höhere Gewinn, d.h. Randhändler erzielten einen Gewinn, während der durchschittliche Gewinn der anderen Händler Null beträgt. Auch investierten Randhändler mehr Geld als der Durchschnitt.
Es gilt nun zu untersuchen, inwieweit diese Ergebnisse auch im APSM bestätigt werden können. Einige Besonderheiten des APSM-Designs sind dabei zu beachten (siehe auch 3.1.1 Design und Funktionsweise das APSM S.14):
Das augenfälliste Problem ist sicherlich die Tatsache, daß alle Teilnehmer (bis auf einige spezielle Ausnahmen) genau ATS 100,00 investierten. Das Punktesystem war für diese Teilnehmer ein Anreiz zum Handeln, allerdings nicht unbedingt in die richtige Richtung. Es bestand die Gefahr, daß das Ziel der Punktemaximierung in einem Konfikt mit dem Ziel, Maximierung des Gewinns über die gesamte Periode, steht. Diese Gefahr ist sowohl für Randhändler wie auch für alle übrigen gültig. Besonders bei den Randhändlern könnte dieser Zielkonfikt dazu führen, daß das Ergebnis verzerrt wird und somit an Prognosequalität verliert. Diesen Effekt sehe ich durch die Daten bestätigt, allerdings mit der Einschränkung, daß die Qualiät der Prognose dadurch unangetastet bleibt. Betrachtet man die Kurse, so kann man nur wenige News-Days (siehe 3.2.1 News-Days) erkennen. Dies kann bedeuten, daß über den größten Teil der betrachteten Periode Punktemaximierung vor Gewinnmaximierung stand (Zeugnis ist wichtiger als ein paar Schillinge), in den letzten Tagen, allerdings die Gewinnmaximierung wieder 1. Priorität erlangte, was zu einer starken Kurskorrektur führte. Wichtig scheint es mir, in diesem Zusammenhang zu betonen, daß die Punkte über die Periode verteilt vergeben wurden (am Anfang jede Woche, bzw. später jede zweite Woche), um maximale Motivation mit geringstmöglicher Einflußnahme auf das Endergebnis zu verbinden.
Die Identifikation von Marginal Trader im APSM wurde für den Markt EU-Volksabstimmung sowie den Markt Nationalratswahlen durchgeführt. Die Definition der Marginal Trader wurde basierend auf der Definitoin von Forsythe erstellt.
Ein Händler ist im APSM dann ein Randhändler, falls er an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen Limitorders abgibt, die nicht mehr als 0,10 ATS vom Mittelkurs abweichen.
Vergleicht man die Definition von Forsythe mit der unsrigen so erkennt man 2 Unterschiede. Zum einen wird bei uns als Referenzkurs nicht der Schlußkurs sondern der Mittelkurs verwendet. Der Grund dafür ist auf den relativ engen Markt zurückzuführen: an den meisten Tagen wurden nur eine Handvoll Aktien gehandelt, sodaß in den meisten Fällen der Mittelkurs nicht signifikant vom Schlußkurs abwich, bzw. an den einigen Tagen überhaupt zusammenfiel. Zum anderen entsprechen 0,10 ATS bei einem Bündelpreis von 10,00 ATS einer Abweichung von 1%, wohingegen 2 Cent bei einem Bündelpreis von 2,5 US-Dollar einer Abweichung von 0,8% entsprechen. Die prozentuelle Abweichung ist bei beiden Definitionen ungefähr gleich groß, wodurch ein direkter Vergleich der Ergebnisse möglich ist. Nach unserer Definition wurden im EU-Markt nur 2 Randhändler (ca. 5% aller Teilnehmer), im Markt Nationalratswahlen hingegen 10 Randhändler (ca. 20% aller Teilnehmer) identifiziert. Versuche die Zahl der Randhändler weiter einzuschränken, indem im Markt Nationalratswahlen die Abweichung der eingegebenen Limitorder vom Mittelkurs für die drei kleineren Parteien GRÜNE, LF sowie ANDERE auf 0,05 ATS beschränkt wurde, führten zu keinen anderen Ergebnissen.
Die 2 Marginal Trader des EU-Marktes konnten beide auch als Randhändler des Marktes Nationalratswahlen identifiziert werden. Bei beiden waren die Gewinne (über alle drei Märkte) positiv. Unter den zehn Randhändlern des Marktes Nationalratswahlen befanden sich 3 Händler, welche zu den 5 größten Gewinnern zählten; allerdings waren auch 2 Händler darunter, welche zu den 5 größten Verlierern zählten.
Die Ergebnisse der obigen Tabelle überraschen ein wenig, da sie auf den ersten Blick nicht den erwarteten Ergebnissen entsprechen. Bevor näher auf die Details eingegangen wird, muß vorausgeschickt werden, daß es sich bei diesen Daten, um die Endergebnisse aller drei Märkte handelt. Ein genaue Analyse jedes Marktes einzeln ist mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mit einem vertretbaren Aufwand zu bewerkstelligen. Allerdings kann durch Zusatzinformationen dieser Mangel an exakten Informationen wettgemacht werden.
Nach Forsythe unterscheiden sich Randhändler durch einen höheren Gewinn von den übrigen Händlern. Nun ist der Tabelle aber ein durchschnittlicher absoluter Verlust von ATS 1,92 bei den Randhändler zu entnehmen; die übrigen Händler erzielen hingegen einen durchschnittlichen Gewinn von ATS 0,55. Beim wichtigeren prozentuellen Gewinn kehrt sich das Bild allerdings um: 1,06% Gewinn im Durchschnitt für die Randhändler und 0,28% Gewinn für die übrigen Händler. Obwohl dies einem fast viermal so hohen Gewinn der Randhändler entspricht, liegt dieser doch deutlich unter dem von Forsythe ermittelten durchschnittlichen Gewinn der Randhändler von ungefähr 10%. Filtert man hingegen den Einfluß des EU-Marktes aus dem Ergebnis heraus (17) so wird das Ergebnis dem von Forsythe ähnlicher. Der durchschnittliche absolute Gewinn der Randhändler beträgt demnach ATS 3,58 was einem prozentuellen durchschnittlichen Gewinn von 3,810 % entspricht. Die übrigen Händler erleiden hingegen einen durchschnittlichen absoluten Verlust von ATS 0,83, was einem prozentuellen Verlust von 0,41% entspricht.
Neben dem Anreiz Geld zu gewinnen bestand zudem der Anreiz eine möglichst hohe Punktezahl zu erreichen. Hier zeigt sich ein deutlicherer Unterschied zwischen den Randhändlern einerseits und den übrigen Händlern andererseits. So erzielten die Randhändler bis zum Schließen des Marktes Nationalratswahlen im Durchschnitt 26.313 Punkte, wohingegen die übrigen Händler durchschnittlich 21.014 Punkte erhielten. Die Randhändler erzielten somit um ganze 25% mehr Punkte als die übrigen Teilnehmer. Somit kann die These bestätigt werden, daß das Punktesystem zwar einen hohen Anreiz zur Teilnahme mit sich bringt, allerdings auch die Gefahr, daß eine eher kurzfristige Orientierung am Punktegewinn stattfindet, und eine Abwendung vom Ziel der Maximierung des Endgewinns. Im Gegensatz zur Endgewinnmaximierung, wo es die Meinung der Bevölkerung zu "bestimmen" gilt, bedeutet Punktemaximierung das "Vorausahnen" der Marktentwicklung für die nächste Woche. Da allerdings davon ausgegangen werden muß, daß zumindest nach einigen Perioden eine Orientierung an den fundamentalen Werten der Aktien stattfindet und Punktemaximierung somit keinen signifikanten Einfluß auf das Endergebnis nimmt.
Über alle drei Märkte gesehen zeichnen sich Randhändler im APSM vor allem durch eine hohe Marktaktivität, sowie durch einen gegenüber den übrigen Händlern signifikant höheren Punktegewinn aus. Der durchschnittliche prozentuelle Gewinn der Randhändler ist hingegen nur minmal höher als jene der übrigen Händler, wobei es allerdings beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Märkten gibt. Der EU-Markt war in den ersten Wochen der Marktöffnung jener Markt, der das höchste Interesse bei den Händlern weckte. Erst nach dem Schließen dieses Marktes Mitte Juni wurde die Aufmerksamkeit auf den Markt Nationalratswahlen und teilweise auf den Markt Regierungsform verlagert. Spätestens nach der EU-Volksabstimmung war den meisten klar, daß es in diesem Markt nicht nur darum geht möglichst viele Punkte zu sammeln, sondern, daß hier die Möglichkeit Geld zu gewinnen und vielleicht noch wichtiger, die Gefahr Geld zu verlieren besteht. Nach der Teilnahme im Markt EU-Volksabstimmung können alle Händler als erfahren im Umgang mit dem System und als erfahren in Bezug auf die Interaktion in einem Politischen Aktienmarkt bezeichnet werden. Smith unterscheidet in seinen Experimenten immer wieder zwischen unerfahrenen und erfahrenen Teilnehmern. Erfahrene Teilnehmer sind solche, die an einem bestimmten Experiment bereits teilgenommen haben, unerfahrene hingegen nicht. Diese Unterscheidung hat für den Erfolg eines Experimentes eine entscheidende Bedeutung: die Ergebnisse von Experimenten mit erfahrenen Teilnehmern sind in der Regel den theoretische erwarteten Resultaten sehr nahe. Diese fundamentale Erkenntnis dürfte auch auf den APSM zutreffen. Die Güte der Ergebnisse des 2. Experiments, dem Markt Nationalratswahlen ist deutlich besser als die Prognose der EU-Volksabstimmung, dem ersten abgeschlossenen Experiment. Einige Händler konnten diese Erfahrungen nützen und in bare Münze verwandeln. Einige dieser Händler wurden als Randhändler identifiziert. Der Großteil der Händler schaffte es allerdings nicht ihre Erfahrung gewinnbringend einzusetzen. Sie waren jene Teilnehmer, von denen die Randhändler profitierten. Diese Konstellation findet man auch auf realen Börsen wieder. Nur ein kleiner Teil der Anleger schafft es Geld zu verdienen, während der Großteil der Teilnehmer, meist Kleinanleger, im Durchschnitt keine bedeutenden Gewinne erzielen.
Wie bei realen Börsen so kommt auch im APSM dem Händlerverhalten ein bedeutende Rolle zu. Der APSM bietet in diesem Bereich, durch verschiedene Zusatzprogramme, sehr gute Auswertungsmöglichkeiten. Im folgenden sollen einige Verhaltentypen von Marktteilnehmern skizziert werden. Anschließend wird darauf eingegangen inwieweit man diese im APSM erkennen kann. Interessant ist diese Untersuchung vor allem deshalb, da der APSM sehr detailierte Daten zur Verfügung stellt, was natürlich die Arbeit erleichtert bzw. überhaupt erst möglich macht.
Geht man von der klassischen Betrachtung eines Marktes aus, so wird den Händlern unterstellt, daß sie aufgrund ihrer Informationen sowie ihren Präferenzen rationale Entscheidungen treffen. Aus theoretischer Sicht kann man davon ausgehen, daß diese Aussage nicht nur für diese Modelle, sondern auch für reale Märkte immer zutrifft bzw. zutreffen müßte. Nun ist dem in der Weise zu widersprechen, daß es genügend Gegenbeispiele für das Auftreten von irrationalem Handeln gibt. Smith [Smith 1988] hat in Folge von Experimenten ein Musterbeispiel für ein solches Phänomen gefunden: die bereits früher erwähnten Price-Bubbles. Im Rahmen dieser Experimente konnte jeder Teilnehmer (immaginäre) Aktien kaufen bzw. verkaufen, wobei am Ende jeder Periode in Abhängigkeit von einem Zufallsereignis eine Dividende ausbezahlt wurde. Jedem Händler war die fixe Gesamtanzahl der Perioden, sowie die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Dividendenauszahlungen bekannt. Nachdem der Wert der Aktie am Ende des Experiments mit Null festgelegt war, kannte jeder Trader den (Erwartungs-)Wert der Aktien in jeder Periode. Das Ergebnis war, daß der Kurs der Aktie in den ersten Perioden sehr stark anstieg (Price-Bubble) und dann plötzlich zusammenbricht (Crash). Erklärt wird das Ganze dadurch, daß ein Händler nicht den inneren Wert der Aktie für seine Kaufentscheidung hernimmt, sondern jenen Preis, den er sich in einer späteren Periode für den Verkauf erwartet.
In [Welch 1992] wird die Kursentwicklung von jungen Aktien untersucht, wobei festgestellt wurde, daß hierbei die ersten Kurse für nachfolgende Käufer so relevant sein können, daß sie ihr privates Wissen über den "wahren" Wert der Aktie ignorieren und einfach die Käufer vor ihnen imitieren. Das Resultat ist dabei, daß einmal Käufer über dem Wert kaufen, und andererseits zu wenig Käufer bereit sind zu kaufen, obwohl der Kauf eigentlich ein Geschäft wäre. Dieser Effekt wird als "Kaskadeneffekt" bezeichnet.
Neben diesem sehr offensichtlichen und vor allem auch einsichtigen Verhalten, das den Händler nicht als homo oeconomicus, sondern als Menschen charkterisiert, der verschieden Einflüssen ausgesetzt ist und dessen Aufgabe es ist, unter innerer und äußerer Unsicherheit Entscheidungen zu treffen, haben aber auch psychologische Faktoren einen großen Einfuß auf die Kurse.
Alle mittel- bis langfristigen Methoden zur Vorhersage von Kursverläufen können als nicht praktikabel angesehen werden. Der entscheidende Ansatz zur Erklärung des wechselnden Händlerverhaltens ist die psychologische Interpretation der Informationsverarbeitung der Teilnehmer. Für Kursentwicklung einer Aktie ist die vorherrschende Händlermeinung ausschlaggebend. Ist ein Großteil der Händler der Meinung, daß die Kurse steigen, so werden diese auch steigen, unabhängig von exogenen Ereignissen. Sind die Händler geteilter Meinung, so kann es zu stark schwankenden Kursen und zu chaotischem Verhalten kommen. Im allgemeinen wird es allerdings so sein, daß aufgrund eines exogenen Ereignisses ein Stimmungsumschwung unter den Händlern hervorgerufen wird, der dann die Ursache für eine Kursänderung ist. (siehe 3.6 Der APSM: ein nichtlineares SystemAPSMnichtlineares System? S.129 sowie 3.2.1 News-Days S.21)
Neben diesen allgemeinen Verhaltensweisen der Händler konnten aber auch ganz konkrete Aktionen beobachtet werden. Durch die Beobachtung der Kurse aller Aktien eines Marktes war es zeitweise möglich Gewinne ohne Risiko zu erzielen. Eine solche Gewinnmöglichkeit besteht immer dann, wenn die Summe der Verkaufsangebote aller Aktien eines Marktes weniger als der Bündelpreis beträgt. Ein Händler kann nun ein ganzes Bündel dieses Marktes kaufen, dieses Bündel dann um ATS 10,00 an den Marktmanager zu verkaufen, und erzielt dadurch einen meist nur geringen aber sicheren Gewinn. Die selbe Methode funktioniert analog für die Kaufangebote, falls hier die Summe der Kaufangebote eines Marktes mehr als ATS 10,00 beträgt. In diesem Fall wird ein Händler ein Bündel um ATS 10,00 vom Marktmanager kaufen um es gleich anschließend mit Gewinn an den Markt zu verkaufen (18). Beide obgenannten Fälle sind theoretisch möglich, wobei im APSM nur letzterer beobachtet werden konnte.
Eine weitere interessante Verhaltensweise ist das Erstehen einer bestimmten Aktie, die eigentlich nicht, bzw. nicht zu einem akzeptablen Preis angeboten wird. Nehmen wird einmal an, ein Händler möchte im Markt Nationalratswahlen die Grüne-Aktie erstehen. Das aktuelle Verkaufsangebot dieser Aktie liegt bei ATS 0,85, was einem Stimmenanteil von 8,50% entspricht. Unser Händler glaubt aber, daß die Grünen maximal 7% erreichen werden. Um vielleich dennoch diese Aktie unter ATS 0,70 erstehen zu können beobachtet er die Kaufangebote der restlichen Aktien dieses Marktes. Beträgt nun die Summe der Kaufangebote (ohne Grüne-Aktie) mehr als ATS 9,30 so führt unser Händler folgende Transaktionen durch: als erstes kauft er vom Marktmanager ein Aktienbündel des betrachteten Marktes. Anschließend verkauft er bis auf die Grüne-Aktie alle Aktien des Bündels zum Marktpreis. Als Ergebnis besitzt nun unser Händler eine Grüne-Aktie für die er weniger als ATS 0,70 bezahlt hat, obwohl niemand bereit war die Grüne-Aktie um weniger als ATS 0,85 zu verkaufen.
Für den Ausgang der Wahlen, bzw. für den Erfolg oder Mißerfolg der einzelnen Parteien bei den Nationalratswahlen waren nur einige wenige Themen entscheidend:
Der Erfolg der Großen Koaltion bei der EU-Volksabstimmung konnte sowohl von der ÖVP als auch von der SPÖ nicht für die Nationalratswahlen genutzt werden. Umgekehrt konnten die Gegnern der Volksabstimmung FPÖ und Grüne diese deutliche Niederlage überwinden und sogar beachtliche Gewinne erzielen. So anvancierte die FPÖ vom Verlierer im Juni zum großen Gewinner bei den Nationalratswahlen. Dies dürfte vor allem auf die Themendiktatur durch den FP-Chef Haider zurückzuführen sein. Von den drei obgenannten Themen wurden zwei von ihm vorgegeben; die Regierungsparteien waren dadurch in der Defensive, was sicherlich nicht zu ihrem Vorteil war. Ein weiterer wichtiger Grund für den Erfolg aller Oppositionsparteien waren die TV-Diskussionen ("Runder Tisch"), von denen Politikwissenschaftler überzeugt sind, daß sie "althergebrachten" Parteien besonders schaden. So ist es auch zu verstehen, daß der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl während des Wahlkampfes 1994 nicht bereit war an einer TV-Konfronation teilzunehmen.
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Einleitung
Experimentelle Ökonomie
Austrian Political Stock Market
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
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Last Update: 27.11.1995