III. Political Stock Markets

Eine der in der letzten Dekade oft diskutierten Fragestellungen im Bereich der Experimentellen Ökonomie beschäftigt sich mit der Prognose- und Bewertungskraft von Aktienmärkten. Besonders häufig wurden zu diesem Zweck Experimente, die sich mit dem Ausgang politischer Wahlentscheidungen auseinandersetzten initiiert (beispielsweise in den USA, Canada, Deutschland, Österreich, Schweden, Frankreich und Norwegen). Solche Wahlentscheidungen eigenen sich sehr gut für experimentelle Untersuchungen, da sehr viele potentielle Marktteilnehmer über einen beträchtlichen Zeitraum (Wahlkampf) ein herannahendes Ereignis (die Wahl selbst) relativ genau beobachten und einzuschätzen versuchen und dabei bemüht sind, eine große Menge an Informationen zu verarbeiten. Es steht ein extrem weites Feld von Informationskanälen, von Umfragen und Nachrichtensendungen bis hin zu sozialen Kontakten, etc. zur Verfügung, aus denen es gilt, die wichtigen Informationen zu gewinnen und zu verarbeiten.

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III.1. Aufbau und Environment des PSM

Das in den letzten Jahren meistverwendete System auf dem Gebiet der experimentellen Political Stock Markets wurde an der University of Iowa von Prof. R. Forsythe und seinem Team (23) entwickelt und in einer Vielzahl von Experimenten erprobt. Das Modell beruht auf einer Zweiteilung eines Marktes in Primär- und Sekundärmarkt.
Im Primärmarkt werden (laufend) Aktienbündel (Basisportfolios bestehend aus allen Aktien eines Marktes) zu einem festen Preis vom Marktmanagement emittiert.
Auf dem als continous double auction market (24) modellierten Sekundärmarkt werden einzelne Aktien zwischen den eigentlichen Marktteilnehmern (tradern) gehandelt. Die wesentlichen (interessanten) Marktaktivitäten finden ausschließlich am Sekundärmarkt statt. Der Primärmarkt hat nur die Aufgabe, genügend Aktienbündel (basic portfolios) in Umlauf zu bringen.

Da sich die ausgegebenen "Papiere" auf einen sehr abstrakten Gegenstand - nämlich Stimmanteil einer wahlwerbenden politischen Partei/Gruppe bei einem Wahlvorgang - beziehen, ist ein Vergleich mit Aktien oder Optionen nur teilweise möglich, dennoch hat sich die Bezeichnung Aktie (stock) etabliert. Mit dem Erwerb von Anteilen in einem PSM, erwirbt der Marktteilnehmer das Recht, auf den, durch die Auszahlungsregeln (= Liquidationsformel) definierten Payoff, der nach der Schließung des Marktes für die einzelnen "Aktien" vergütet wird. Die genaue Höhe des Payoffs für eine spezifische "Aktie" des Marktes steht aber während der Handelsperiode noch nicht fest, sondern wird erst durch ein Ereignis (die Wahl) nach Marktschluß (normalerweise schließen solche Märkte kurz vor dem Wahlgang) festgelegt. Anders als in herkömmlichen Aktien- oder Optionsmärkten erwirbt der Käufer solcher Anteile also keinen Besitzanteil an einer Unternehmung (inkl. dem Recht auf Dividenden und Liquidationserlöse) oder das Recht auf einen Kauf/Verkauf von assets zu genau definierten Bedingungen.
Man kann die Shares in einem Political Stock Market somit als Aktien definieren, die ihrem Besitzer nur zu einem einmaligen Bezug einer Zahlung (des Payoffs) berechtigen. Vergleichbar einem Modell, in dem Anteile an einer Unternehmung gehandelt werden, die nur noch eine einzige Periode lang besteht und deren Liquidationswert danach an die Anteilseigner ausgeschüttet wird.

Ein PSM ist weitgehend an übliche Aktienmärkte (Fließhandel) angelehnt. Der Wert der Aktien (stocks) wird üblicherweise vom bei der Wahl erreichten Stimmanteil bestimmt (vote share market). Neben der Modellierung als Stimmanteilsmarkt ist auch die Modellierung als "winner takes all" market gebräuchlich (Bsp.: Wer wird der Kandidat der Republikanischen Partei für die nächsten U.S. Präsidentschaftswahlen? Welche Koalition wird nach der nächsten österreichischen Nationalratswahl die Regierung bilden? (25)). Für einen Händler (trader) besteht am Sekundärmarkt die Möglichkeit

Am Primärmarkt kann der Händler jederzeit weitere Aktienbündel (basic portfolios) erwerben bzw. wieder verkaufen.

Für jede handelbare Aktie werden zwei Listen (queues) geführt (26). Eine enthält die Kaufanbote (bids), die andere die Verkaufsanbote (asks), jeweils sortiert nach den Preisen. Zu jedem Anbot werden Informationen zur Identifikation des Händlers, das Datum/die Zeit, die gewünschte Menge und eine Gültigkeitsdauer gespeichert. Von Händlern neu abgegebene bids und asks werden ihrem Preis entsprechend immer sofort in die jeweilige Liste richtig eingeordnet. Das niedrigste Verkaufsangebot (ask) sowie das höchste Kaufangebot (bid) können auf diese Weise einfach gegenübergestellt werden. Tritt nun der Fall ein, daß sich ein bid und ein ask überschneiden, d.h. Kaufpreis {SONDZEICHEN 179 \f "Symbol"} Verkaufspreis, kommt es zu einer Transaktion. Aktien wechseln die Besitzer und die jeweiligen Aufträge werden aus den Listen gelöscht bzw. korrigiert. Aus Konvention wird immer der Preis des älteren Angebotes als Transaktionspreis (Kassakurs) verwendet.

Da Händler die Möglichkeit haben, schon vorhandene bids und asks zu akzeptieren (Kauf/Verkauf zum momentanen Marktpreis) oder neue abzugeben, wobei auch Preis- und Zeitlimits verwendet werden können, und die bid und ask queues ununterbrochen miteinander verglichen werden, kommt es nicht wirklich zu Überschneidungen, sondern es werden sofort Kontrakte geschlossen. Die Anbote werden in die Listen einsortiert und etwaige Überschneidungen sofort durch die Bildung von Kontrakten eliminiert.


Abb. 5: Eingabemaske des Tradingprogramms beim APSM '94 Experiment mit den aktuellen An/Verkaufspreisen

Um erfolgreich zu sein, ist niemand auf die Ausschüttung bei der Schließung des Marktes angewiesen. Es ist durchaus denkbar, daß Teilnehmer nur an den Kursbewegungen interessiert sind und so wenig wie möglich Aktien am Wahltag halten wollen oder vielleicht überhaupt keine Aktie mehr halten (27). Derartige Marktteilnehmer agieren daher als reiner Händler. Sie versuchen dabei, Aktien möglichst billig einzukaufen und nach relativ kurzer Zeit mit (kleinem) Gewinn wieder zu veräußern und tragen so dennoch zum laufenden Bewertungsprozeß bei. Je mehr aktive Händler am Prozeß beteiligt sind, desto effizienter wird die Bewertung. Die Volatilität der Aktien sinkt mit dem Näherkommen des Wahltages. Natürlich ist auch die Einführung eines Optionshandels am PSM möglich (28).

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III.2. Motivation der Marktteilnehmer, treibende Kraft

Die Hauptmotivation, die zum Handel in einem PSM führt, entsteht dadurch, daß jeder Teilnehmer individuelle Vorstellungen (Informationen) (29) über den Ausgang einer Wahl hat und über einen PSM die Möglichkeit besteht, diese Informationen (Informationsvorsprünge) durch das Ausnutzen von Arbitragen in Renditen umzusetzen.
Jedem Teilnehmer bleibt es überdies überlassen, sich durch die Suche nach neuen (besseren) Informationen eine bessere Ausgangspositionen zu erwerben. Die Motivation ist somit dieselbe wie auf Aktien- oder Optionsmärkten. Wer glaubt, überlegene Prognosefähigkeiten zu haben, wird versuchen, Arbitragegewinne zu realisieren.

Abhängig von der Fähigkeit Marktsignale interpretieren zu können, wird der einzelne Marktteilnehmer Gewinne oder Verluste realisieren. Wer nur basic portfolios kauft und verkauft und nicht am Sekundärmarkt handelt, macht weder Verluste noch Gewinne. Jedem Marktteilnehmer bleibt es überlassen, zu jedem Zeitpunkt beliebig viele basic portfolios zum festgelegten Bündelpreis zu kaufen und auch wieder zu verkaufen. Da das Design des Sekundärmarktes technisch gesehen ein sogenanntes Nullsummenspiel ist und in den Experimenten üblicherweise keine Transaktionskosten oder Spesen vom Marktmanagement einbehalten werden (30), fließt das ganze einbezahlte Marktvolumen letztlich wieder - umverteilt - an die Marktteilnehmer zurück.

Jeder Teilnehmer kann sich zurückziehen (seine Aktien verkaufen bzw. einfach nicht handeln), wenn er keine Möglichkeit zur Realisierung von Arbitrage-Effekten sieht bzw. sich sofort wieder engagieren, wenn er glaubt, Arbitrage-Effekte ausnutzen zu können. Es kommt also zu permanenten Einzahlungen und Auszahlungen bzw. Realisierungen von Gewinnen oder Verlusten während der Periode und nicht zur Aufteilung eines "Pott´s" oder Auszahlung einer Quote nach Verkündung des Wahlergebnisses.

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III.3. Kursbildung

PSMs bleiben üblicherweise bis kurz vor den eigentlichen Wahlentscheidungen (Wahltag) bzw. bis zur Verlautbarung des offiziellen Wahlergebnisses geöffnet. Bis zur Schließung des Marktes werden durch das laufende Abschließen von Kontrakten zwischen den Marktteilnehmern laufend neue Kurse produziert (31). Dadurch sind in PSMs laufend Zwischenergebnisse greifbar. Der Einfluß von Veränderungen (neuen Informationen) in der realen Umwelt der Marktteilnehmer kann daher durch die Veränderungen der entstandenen Marktpreise beobachtet werden.
Das Wahlergebnis bestimmt dann den Wert der Aktien. Die von den Teilnehmern gehaltenen Aktien werden nun zu den aus dem Wahlergebnis berechneten Preisen vom Marktmanagement zurückgekauft (z.B.: Stimmanteil multipliziert mit dem Bündelpreis).

Theoretisch betrachtet bestünde aber kein zwingender Grund den Markt auf diese Weise aufzulösen; es kann ohne weiteres bis zur nächsten Wahl und darüber hinaus weitergehandelt werden. Nur praktische Erwägungen (z.B.: geringe Motivation durch lange Legislaturperioden) führten in der Vergangenheit dazu, daß die Märkte nach den Wahlen geschlossen wurden.

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III.4. Interpretation der Marktpreise

Die Kurse (Preise die beim Abschluß eines Kontraktes zustande kommen) können relativ leicht in Prognosen übergeführt werden, da sie die kumulierten Erwartungen der Marktteilnehmer widerspiegeln. Der Handel in einem PSM ist ein, den Wahlentscheidungsprozeß (32) begleitender, kontinuierlicher Prozeß, in dem nach und nach mehr Informationen integriert werden. Änderungen in der realen - politischen - Umwelt schlagen sich daher in den Kursen nieder, die so Spiegelbild der Informationen und der Sachlage werden.
Dieses adaptive Verhalten der Kurse (33) erlaubt es, unmittelbar aus den Kursen (und/oder anderen Informationen) Konsequenzen zu ziehen. Durch den Sekundärmarkt erfolgt eine permanente Realisierung von Handelsarbitragen, die jederzeit abgerechnet bzw. gutgeschrieben werden können. Um aus den sich einstellenden Kursen (Marktpreisen) eine Prognose abzuleiten, braucht nur die invertierte Auszahlungsregel auf die Preise angewandt zu werden. Lautet die Auszahlungsregel eines vote share markets etwa: Auszahlung = erreichter Prozentanteil * Bündelpreis so kann der erwartete (prognostizierte) Prozentanteil als Preis/Bündelpreis dargestellt werden.
In den bisher in den Experimenten verwendeten Modellen existieren keine anderen Profitquellen als die Erlöse aus dem Payoff nach Marktschluß und den Handelsgewinnen, die während der Handelsphase durch den Trader lukriert werden. Eine (Basis)Verzinsung der gehaltenen Cashpositionen und risikolose Renditen aus dem Halten von Shares wurden bisher nicht modelliert, was die unmittelbare Umsetzung der Preisdaten in Prognosen wesentlich erleichtert. Gerade in Märkten mit sehr langen Laufzeiten (34) und entsprechend langer Kapitalbindung (= Entzug von alternativer Veranlagung), ist die Berücksichtigung dieser Problematik aber notwendig, um solche Märkte im Vergleich mit alternativen Anlageformen nicht zu benachteiligen. Die Erweiterung des Modells bzw. der Experimente um diese Gesichtspunkte ist in Zukunft sicherlich zu diskutieren (35). In diesem Fall müssen dann freilich die aktuellen Preisdaten um diese Verzinsungskomponenten bereinigt werden, damit korrekte Prognosewerte erhalten werden können.

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III.5. Die Teilnehmer

Von ganz besonderem Interesse bei der Charakterisierung eines PSMs ist, daß keine spezielle (repräsentative) Zusammensetzung oder gar eine Auswahl der Teilnehmer erforderlich ist. Es interessiert auch nicht, wie die einzelnen Marktteilnehmer am Wahltag wählen (ihre persönlichen Präferenzen), sondern ihre Einschätzung, wie die Gesamtheit der Wahlberechtigten bei den Wahlen entscheiden wird.
Kriterien für eine gute Prognose mittels des PSM sind vielmehr die unbedingte Freiwilligkeit der Teilnahme und eine genügende Anzahl von Marktteilnehmern (36).

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III.6. Iowa Political Stock Markets (IPSM)

1988 wurde für die damaligen US-Präsidentschaftswahlen an der University of Iowa ein PSM ins Leben gerufen (37). Es wurden Aktien auf George Bush, Michael Dukakis, Jesse Jackson und "Andere" gehandelt. Insgesamt nahmen 192 Personen am Experiment teil, die im Durchschnitt ca. 25 US$ investierten; ein basic portfolio kostete damals US$ 2.5. Eine demographische Untersuchung (38) der Teilnehmer (der Großteil waren naturgemäß Studenten) ergab, daß 71% männlich, 93% weiß, 33% mindestens den Collegeabschluß hatten und über 70% in der mittleren und oberen Einkommenskategorie waren. Der Markt war ca. 6 Monate geöffnet, wobei die Handelsaktivitäten in den letzten Wochen vor der Wahl deutlich anstiegen. Am Tag vor der Wahl lagen die Kurse für Bush und Dukakis bei umgerechnet 53.2% bzw. 45.2%. Am Wahltag selbst wurden dann für Bush 53.2% und für Dukakis 45.4% der gültigen Stimmen abgegeben. Der PSM spiegelte daher die Wahlentscheidung überraschend genau wider und konnte den Wahlausgang deutlich besser prognostizieren als alle von Zeitungen und Meinungsforschungsinstituten durchgeführten Befragungen. Jack Wright (39), Professor für Politikwissenschaften, meinte dazu:

   "The critical difference between markets and polls is that people are not trading on the basis of their 
   preferences. They´re trading on their beliefs about who´s going to win and by what margin."
Die Initiatoren des IPSM hoben in ihrer Analyse des Experiments besonders die marginal traders hervor. Es war dies eine kleine Gruppe von ungefähr 10% der Teilnehmer, die besonders intensiv handelte und daher maßgeblich für die Kursbildung verantwortlich war. Unter dieser Gruppe fanden sich auch jene Marktteilnehmer, die die beste Performance aufwiesen bzw. die höchsten Gewinne realisieren konnten. Die guten Ergebnisse des ersten IPSM wurden auch vier Jahre später bei der Bush-Clinton-Perot Wahl bestätigt.
Dieses Hervorheben der marginal traders kann als erster Versuch gewertet werden, Qualitätsindikatoren zu identifizieren. Die Suche nach solchen Indikatoren wird auch deshalb verständlich, weil verläßliche Angaben über die Qualität eines solchen Prognoseergebnisses noch nicht gemacht werden können, während professionelle Meinungsumfragen auf eine perfekt ausgebaute Stichprobentheorie zur Qualitätsbeurteilung zurückgreifen können (40).

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III.7 Austrian Political Stock Markets (APSM '94 und '95/96)

III.7.1. APSM '94 (41)

Im Jahr 1994 wurden auch in Österreich erstmals Experimente zum Thema Political Stock Market durchgeführt. Gemeinsam mit der University of Iowa (42) und dem Institut für BWL an der Universität Wien wurden im November 1993 an der Abteilung für Industrielle BWL der TU Wien drei Märkte konzepiert und 1994 in einem 7 Monate (43) dauernden Experiment, an dem großteils Studenten als Marktteilnehmer involviert waren, getestet.
Der erste Markt beschäftigte sich mit dem EU-Referendum. Einer Wahlentscheidung, bei der kein historisches "Vorwissen" gegeben war (44). Im Gegensatz dazu war für die Teilnehmer am Stimmanteilsmarkt für die Nationalratswahlen ausreichend Vorwissen (historische Entwicklung, relativ stabile politische Verhältnisse in Österreich) vorhanden. Der "winner takes all" Markt der auf die zukünftige Regierungs/Koalitionsform abzielte, war infolge einer recht eindeutigen Festlegung auf eine große Koalition bereits vor der Wahl quasi deterministisch bestimmt.

Die Erkenntnisse/Hypothesen, die sich aus diesen ersten Experimenten gewinnen ließen, können kurz so zusammengefaßt werden:

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III.7.2. APSM '95/96

Motiviert durch die ansprechenden Resultate aus dem Jahr 1994 wurde im Sommer 1995 ein weiteres Experiment an der TU Wien initiiert. Auf Basis der 1994 gewonnenen Erfahrungen wurde eine weitere Verbesserung der Ergebnisse angestrebt.

III.7.2.1. Ziele

Es galt, insbesondere die 1994 aufgestellten Hypothesen betreffend Qualität der Vorhersagen zu überprüfen:

a) Prinzip der Freiwilligkeit ist essentiell
b) höheres Investment motiviert Teilnehmer noch besser
c) mehr Teilnehmer sollten Resultate weiter verbessern
d) hohe Marktaktivität fördert den Informationsaustausch
e) repeated event markets funktionieren besser (Vorwissen)
f) Kommunikation darf nur auf den Markt beschränkt sein.

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III.7.2.2. Veränderungen des Designs gegenüber 1994

Um mehr und absolut freiwillige Marktteilnehmer ansprechen zu können, wurden die Märkte für den APSM '95/96 in den Iowa Electronic Market (IEM) integriert und nicht mehr wie 1994 lokal im Netzwerk der TU Wien sondern global für jedermann erreichbar (im Internet) angeboten. Auf diese Weise wurde:

a) Ein großer potentieller Teilnehmerkreis (alle Österreicher mit Internetanschluß) angesprochen.
b) Die Bildung einer extrem homogenen Teilnehmergruppe verhindert.
c) Auch in diversen Medien Interesse für das Experiment geweckt, was zu einer zusätzlichen Motivation führen sollte.
d) Die nicht über den Markt laufende Kommunikation zwischen Marktteilnehmern stark reduziert bzw. verhindert, da die Teilnehmer den jeweils anderen nur mehr anonym gegenüberstanden.

Im APSM '95/96 wurde auch wesentlich mehr Wert auf die umfassende Information aller Beteiligten gelegt. Es wurden via World Wide Web (WWW) aktuelle Kursinformationen, historische Daten (Wahlergebnisse), aktuelle Meinungsumfrageergebnisse usw. für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Ferner wurde die Beschränkung des erlaubten Investments gelockert (max. 5.000 ATS), um mehr und "größere" Teilnehmer zu gewinnen.

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III.7.2.3. Die Märkte

Im ersten Schritt waren für das Langzeitexperiment nur zwei Märkte vorgesehen, die Landtagswahlen in der Steiermark bzw. die Wiener Gemeideratswahlen. Zwei Lokalwahlen also, die ursprünglich beide im Herbst 1996 stattfinden sollten. Ein geplanter Gesichtspunkt war also auch, das Verhalten der Händler über einen sehr langen Zeitraum hinweg zu untersuchen. Leider ergab sich damit aber auch ein Motivationsproblem. Ein wirkliches Interesse an lokalen Wahlen ist 12 oder 13 Monate vor dem eigentlichen Wahltag nahezu nicht vorhanden. Darum war das erste Monat (September 1995) nur durch eine sehr bescheidene Anzahl an Teilnehmern und geringe Marktaktivität gekennzeichnet.

Diese Situation änderte sich aber schlagartig, als sich im Oktober 1995 mit dem Auseinanderbrechen der Koalition (auf Bundesebene) die Möglichkeit eines Marktes für die Nationalratswahlen 1995 eröffnete. Binnen einer Woche wurde parallel zu den bestehenden Märkten ein solcher vote share market eröffnet. Schon einige Tage zuvor war ein zunehmendes Interesse am APSM spürbar gewesen (46) und der neue Markt wurde sofort (binnen Stunden) von den Teilnehmern angenommen.

In den 59 folgenden Tagen wurden von 127 Tradern, die zusammen 139.018 ATS investiert hatten 65.537 shares gehandelt, davon alleine 21.469 in der letzten Woche. Verglichen mit dem Markt für die NRW '94 waren das ca. dreimal soviele Marktteilnehmer, die 10 mal soviel Kapital investierten und ca. 16 mal soviele shares handelten, obwohl der Markt nur halb so lange (2 Monate) geöffnet war.


Abb. 6: Kursverläufe im NRW '95

Die Grafik verdeutlicht, daß speziell im letzten Monat vor der Wahl die Marktaktivität ausgesprochen hoch war. Nicht unerwähnt sollte aber auch bleiben, daß die geringe Aktivität im Zeitraum 26.10. bis ca. 5.11. einerseits durch die Feiertage bzw. Wochenenden erklärt werden kann, aber auch andererseits einige technische Probleme (Überlastung der internationalen Datenleitungen bzw. zeitweiser Totalausfall einiger Internetverbindungen) den Marktzugang während dieser Zeitspanne erschwerten.

Durch das große Interesse an den NRW waren auf den beiden Märkten für die Lokalwahlen erwartungsgemäß kaum mehr Aktivitäten beobachtbar. Obwohl die steirischen Landtagswahlen aus gegebenem Anlaß ebenfalls in den Dezember 1995 vorverlegt wurden, fanden sich nur selten Trader, die diesen Markt beachteten.


Abb. 7: Kursverläufe Steirische Landtagswahlen '95

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III.7.2.4. Ergebnisse

Die Erwartungen in die Prognosekraft des NRW-Marktes waren, begründet auf den letztjährigen Erfahrungen, dem stark vergrößerten Teilnehmerfeld und der sich einstellenden Marktaktivität, naturgemäß sehr groß. Eine Reproduktion amerikanischer Prognosegenauigkeit wurde angepeilt (MAE unter 1%).


Abb. 8: Vergleich einiger Märkte mit Meinungsumfrageergebnissen (47)

Demgegenüber standen aber auch Befürchtungen, daß die Prognosequalität durch eine in der letzten Woche vor der Wahl offensichtlich versuchte Marktmanipulation seitens einer kleinen Händlergruppe leiden könnte. In der letzten Woche kam es zu - auch ohne genaue Analysen der Tradingfiles - erkennbaren Versuchen von Kursmanipulation. Die involvierten Trader handelten offensichtlich nicht ökonomisch rational. Ihre Vorgangsweise wurde offenbar von nicht-monetären Anreizen beherrscht (48).

Diese Befürchtungen wurde am Wahltag bestätigt. Vergleicht man die Prognosen der verschiedenen Meinungsforschungsinstitute mit den APSM Ergebnissen, zeigt sich folgendes Bild:


Tab. 1: APSM vs. Meinungsforschungsergebnisse (49) NRW '95

Die Prognosequalität des Marktes lag somit nicht nur hinter der des Jahres 1994, sondern auch noch hinter den von Meinungsforschungsinstituten abgegebenen Prognosen.

Für den Markt, der sich mit den steirischen Landtagswahlen beschäftigte, ergab sich ein ganz ähnliches Bild:


Tab. 2: APSM vs. Meinungsforschung Stmk '95

Bedingt durch das Desinteresse und das daraus resultierende Fehlen von ausreichenden Daten sind für diesen Markt aber kaum seriöse Auswertungen und Schlußfolgerungen möglich.

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III.7.2.5. Schlußfolgerungen

Aus dem schlechten Ergebnis des NRW '95 Marktes stellt sich unmittelbar die Frage, welche Gründe für die schlechte Prognosequalität verantwortlich gemacht werden können. Prinzipiell haben die US Märkte aber auch die APSM '94 Ergebnisse gezeigt, daß Prognosefehler von unter 1.5 % Abweichung (MAE) ohne weiters erreichbar gewesen wären.

Das Spektrum der möglichen Ursachen ist weitläufig:

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III.7.2.6. Zukunft

Aus den bisher im Rahmen der APSM Experimente gewonnenen Erfahrungen (54) lassen sich einige neue Fragestellungen ableiten, die in den weiterlaufenden Experimenten ganz besonders zum Tragen kommen werden.
Zum einen wir es notwendig sein, Vergleiche zwischen ähnlich gearteten Märkten in Nordamerika und in Europa zu ziehen, um die Frage nach möglichen kulturellen Ursachen und deren Auswirkungen auf das Marktverhalten beantworten zu können. Analysen, die US Märkte untereinander vergleichen (55), müssen auch auf europäische Experimente ausgeweitet werden.
Zum anderen werden kontinuierlich fortgesetzte Experimente auch zeigen, inwieweit Lerneffekte der Trader zu einer Verbesserung der Performance führen können.
Eine Weiterentwicklung des PSM Designs in Richtung Ökonomischer Indikatormarkt (economic indicator markets), mit der schon im Rahmen eines Marktes für die Schätzung der Arbeitslosenrate begonnen wurde, sollte die Adaptierbarkeit des Konzeptes für andere Fragestellungen belegen. Am Ende dieser Entwicklung wird der Versuch einer Anwendung für Problemstellungen auf Unternehmensniveau (etwa bei Absatzschätzungen) stehen (56).

Im Vordergrund steht aber zunächst die Beseitigung der in den bisherigen österreichischen Experimenten auftretenden Probleme. Um die Manipulationsproblematik entschärfen zu können und die Attraktivität der Märkte weiter zu erhöhen, bedarf es:

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Gerhard Ortner
Technische Universität Wien
Institut für Betriebswissenschaften, Arbeitswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre
Abteilung für Industrielle Betriebswirtschaftslehre
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