II. Experimentelle Ökonomie - Double Auction Markets (DAM)

In diesem Abschnitt soll der allgemeine Aufbau des klassischen Double Auction Market (DAM) Modells betrachtet werden. Einer Begriffserklärung soll eine Durchleuchtung betreffend Stärken, Schwächen und möglichen Erweiterungen im Design folgen. Dem Konzept der Political Stock Markets (PSM) als Sonderform eines DAM wird besondere Bedeutung geschenkt.

II.1. Geschichtliche Entwicklung der Experimentellen Ökonomie

Bis vor ca. 400 Jahren kamen Experimente in der Welt der Wissenschaft nicht zu Anwendung. Erst dann wurden, ausgehend von Physik und Chemie immer mehr wissenschaftliche Disziplinen (z.B. Medizin, Biologie) durch experimentelle Techniken revolutioniert. In der Ökonomie fanden diese Techniken vorerst aber keine Anwendung.

            "One possible way of figuring out economic laws ... is by controlled experiments. ... Economists
            [unfortunately] ... cannot perform the controlled experiments of chemists or biologists because 
            they cannot control other important factors. Like astronomers or meteorologists, they generally 
            must be content largely to observe."(3)

Erst in den letzten 40 Jahren wurde auch aus der Ökonomie eine experimentelle Wissenschaft. Vernon Smith, Charles Plott und Reinhard Selten sind nur einige der bekanntesten Vertreter dieser neuen Generation von Wissenschaftlern.

Der Kreislauf zwischen Theorie und Empirie


Abb. 1: Theorie und Empirie (4)

wurde durch die Experimentelle Forschung erweitert:


Abb. 2: Experimente in den Wirtschaftswissenschaften

Seit dem Ende der 50er Jahre werden in zunehmendem Maße Experimente in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung verwendet. Gerade auf dem Gebiet der Erforschung von Märkten (Gleichgewichtstheorie, Informationsfluß, Wettbewerbstheorie) wurden bald einfache Experimente (z.B. Oral Auction Modelle) benutzt, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Diese Erkenntnisse halfen manche Theorien, wie etwa die Hayek-Hypothese, zu untermauern, andere zu modifizieren bzw. zu verbessern und wieder andere konnten so widerlegt werden.
Es konnte z.B. gezeigt werden, daß sich Marktgleichgewichte (competitive equilibria) verläßlich auch auf relativ kleinen Märkten mit nur wenigen Marktteilnehmern, nicht atomistischer Marktmacht, ohne unendlich großer Reaktionsgeschwindigkeit und ohne vollkommener Information einstellen (5). In der jüngsten Vergangenheit kommt Experimenten aber auch Bedeutung beim Design und bei der Erprobung neuer realer Märkte, wie etwa im Bereich Handel mit Pollution Permits, zu. Manche Ideen werden zuerst in Labor- und Feldexperimenten entwickelt, erprobt und verbessert, bevor sie vielleicht in Zukunft in realen Projekten zur Anwendung kommen. Ein gutes Beispiel dafür sind Prognosesysteme auf Marktbasis, die ausgehend von ersten noch sehr einfachen Laborversuchen für Wahlmärkte (Political Stock Markets) über den global laufenden Feldversuch des Iowa Electronic Markets (IEM), vielleicht bald Einzug in industrielle Anwendungen oder volkswirtschaftliche Problemstellungen (Absatzprognosen, bis hin zur Prognose von Kennzahlen) finden werden.

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II.1.1. Wozu Experimente?

Heute werden Experimente in der Ökonomie aus den verschiedensten Gründen durchgeführt. Die Motivation reicht dabei vom Testen von Theorien, dem Abschätzen von Verhaltensparametern bis zur Analyse konkreter realer Problemstellungen. Nach Vernon Smith (6) hier kurz einige der wichtigsten Beweggründe (7):

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II.1.2. Kategorisierung von Experimenten

Eine grobe Unterteilung in unterschiedliche Kategorien von Experimenten kann nach der Art des Experiments in Labor- und Feldexperiment, und nach dem Umweltzustand in kontrollierte bzw. unkontrollierte Umweltbedingungen getroffen werden. Dabei sind alle sich daraus ergebenden Kombinationen möglich.

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II.1.3. Prinzipien

II.1.3.1. Modell und Realität

Gerade in den Wirtschaftswissenschaften werden sehr komplexe Fragestellungen betrachtet. Soll beim Design eines Labormodells eine möglichst wirklichkeitsnahe Umwelt geschaffen werden, stößt man sehr schnell an die Grenzen der Machbarkeit. Zu komplex und ressourcen- bzw. kostenintensiv ist eine detailgenaue Nachbildung der Wirklichkeit.
Meistens wird daher das Design der Experimente, verglichen mit der Realität, sehr einfach gehalten. Es wäre auch zwecklos, im Labor die Komplexität der Realität nachbauen zu wollen, bei den unendlich vielen Details ist die Realität selbst ihr bestes Modell. Ein Modell soll vielmehr so gestaltet werden, daß es gute Möglichkeiten bietet, zu lernen und die Fragen zu beantworten die zu lösen es entwickelt wird. Je komplexer ein Modell wird, umso schwieriger wird es auch die Ergebnisse zu analysieren. Einfachheit erhöht außerdem die Kontrollmöglichkeiten.

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II.1.3.2. Kontrolle

Ein experimentelles Design setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Die Institution legt innerhalb einer Umwelt (Environment) das Regelwerk fest, mit dessen Hilfe die einzelnen Agenten interagieren.
In Laborexperimenten ist die Kontrolle der Institution und des Environments unproblematisch, da durch den Leiter des Experiments selbst festgelegt. Die Agenten freilich, die durch viele Merkmale wie Präferenzen, Ressourcen, Informationen und Technologien definiert sind, besitzen alle ihre eigenen Ausprägungen der unterschiedlichen Merkmale. Diese Merkmale sind aber schwer zu beobachten und noch schwerer zu kontrollieren.
In vielen Fällen ist man aber gerade an bestimmten Charakteristiken der Agenten bzw. den daraus entstehenden Konsequenzen interessiert (Bsp: Das Streben nach Einkommensmaximierung, vollkommen oder aber unvollkommene Information, ...).
Man bedient sich daher in Laborexperimenten häufig der Induced-Value Theory (8), um Kontrolle über die Charakteristika der als Agenten agierenden Subjekte ausüben zu können. Die Idee dabei ist die Verwendung eines geeigneten Anreizsystems, daß die Agenten dazu bewegen soll, vorspezifizierte Merkmale anzunehmen (=Kontrolle dieser Merkmale). Dazu müssen drei Grundbedingungen erfüllt sein (9):

  1. Monotonie (der Nutzenfunktion)
    Die Subjekte müssen ein "mehr" an Belohnung "weniger" Belohnung vorziehen und dürfen nicht gesättigt werden. Eine relativ einfach zu erfüllende Bedingung, wenn als Belohnung reales Geld eingesetzt wird.

  2. Erfolgs-/Verhaltensorientierung der Belohnung
    Die in Aussicht gestellte Belohnung (der Nutzen) muß vom Verhalten des Subjektes (und dem der anderen involvierten Subjekte) abhängen und durch das Regelwerk (Institution) klar definiert sein. In den meisten Marktexperimenten werden die Teilnehmer daher nach den im Experiment erwirtschafteten Geldeinheiten bezahlt (eine experimentelle GE = x US$).

  3. Dominanz
    Der Nutzen, den das Subjekt aus dem Experiment zieht, sollte ihm überwiegend aus der Belohnung erwachsen. Andere Einflüsse wie z.B. die Sorge um andere Teilnehmer, zum "Gelingen" des Experiments beitragen wollen, etc. sollten möglichst ausgeschaltet werden. Mögliche Ansätze dafür sind Geheimhaltung der eigentlichen Ziele des Experiments, Isolierung der Teilnehmer, Anonymisierung von Daten,...

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II.1.4. Begriffsdefinition

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II.2. Das Konzept des Double Auction Markets

Das Grundkonzept eines Double Auction Markets basiert auf einer sehr einfachen Technologie. Stehen sich auf einem Handelsplatz (Institution) Käufer und Verkäufer gegenüber, so werden die jeweiligen Ankaufs- bzw. Verkaufsangebote (bids und asks) bekanntgegeben und können von Interessenten aufgegriffen werden, was dann zur Bildung von Kontrakten führt.
Durch das Bilden von nach Preisen sortierten Listen (bid/ask-queues) kann zusätzlich mehr Übersicht in den Handel gebracht werden. Die Listen können dann gegenübergestellt werden, wobei das billigste Verkaufsanbot (ask) dem höchsten Kaufanbot (bid) gegenübergestellt wird. Kommt es zu Überschneidungen betreffend des Preises, entsteht aus den betreffenden Anboten ein Kontrakt (eine Transaktion). Die auf diese Weise erfüllten Kauf/Verkaufsanbote werden danach aus den Listen (queues) entfernt bzw. bei nicht vollständiger Erfüllung mengenmäßig adäquat gekürzt, neue Anbote in die Listen aufgenommen, die Listen wieder sortiert und nach Überschneidungen untersucht, ad infinitum. Durch diese einfache Modifikation der Institution Markt kann somit sichergestellt werden, daß immer effiziente Kontrakte (19) geschlossen werden.

Abb. 4: Entwicklung einer bid/ask-queue und das Bilden eines Kontraktes, neue Orders sind schraffiert dargestellt


Dieser Mechanismus wurde schon in vielen Experimenten (20) in den unterschiedlichsten Ausprägungen untersucht und auf die unterschiedlichsten Anwendungsmöglichkeiten (21) getestet.

Weitere Variationen des Grundkonzeptes, die z.B. zum schnelleren Erreichen von Gleichgewichtspreisen führen können, sind in weiteren Experimenten (22) getestet worden,

Die Funktionsweise des DAM hat durch seine universelle Einsatzmöglichkeit in die unterschiedlichsten Märkte Einzug gehalten. Vom Fließhandel mit Aktien und Wertpapieren bis zu Warentermingeschäften baut eine große Vielfalt an Märkten auf diesem Konzept auf.

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II.3. Stärken und Schwächen

Das Double Auction System zeichnet sich durch einige Merkmale besonders aus und bietet sich dadurch für viele Anwendungsgebiete in erster Linie an. Als Stärken des Double Auction Mechanismus können angesehen werden:

Die "pure" Form des DAMs weist aber auch einige, manchmal eher unerwünschte Merkmale auf:

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Gerhard Ortner
Technische Universität Wien
Institut für Betriebswissenschaften, Arbeitswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre
Abteilung für Industrielle Betriebswirtschaftslehre
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