WOM Journal 1/98

Konzerte: Björk - Welcome To The Machine

Text: Ulrich Kriest

Fotos: ?


Frankfurt, Palais am Zoo

 


Es war kalt geworden in der Nacht zuvor, und über der Frankfurter Innenstadt hing die vorweihnachtliche Glocke aus Bratwurst- und Glühweingeruch. Auf dem Weg nach Frankfurt hatten mir Menschen mit bajuwarischem Akzent via Radio mitgeteilt, daß "Ojehssis eh die beste Band, wo es gibt" sei. In Frankfurt wartete Björk, und die ist definitiv keine Band. Am Zoo solle das Konzert stattfinden, hatte es geheißen, und ich malte mir bereits entsprechende Szenen aus: Björk allein mit einem Streicherensemble zwischen wilden Tieren.

Findige Frankfurter hatten die Zeichen der Zeit erkannt und verhökerten vor dem Zoo-Palais Tetrapack-Glühwein. Ein DJ vertrieb dem Publikum in dem theaterähnlichen Bau mit marokkanischen Trancebeats und mystisch angehauchtem Sufi-Dancefloor die Wartezeit. Genug Zeit für die spannende Frage, ob Björk vielleicht auf diese Sounds einsteigen würde, um von hier aus ihr Programm zu entwickeln. Der übergang war dann aber doch nur ein matter Break.


Rotes Licht. Asymmetrisch bearbeitetes rotes Kleid über dem kleinen Schwarzen, barfuß, natürlich - stand SIE da, und eine Woge schier gre nzenloser Sympathie brandete IHR, die sich sogleich als Jägerin outete, entgegen.

In den folgenden 75 Minuten führte Frau Guttmundsdottir durch eine bunte Mischung ihrer drei Alben, mal mehr auf Ambient-Chanson, mal mehr auf Dancefloor-Chanson setzend.

Alles lief perfekt, das Publikum war begeistert, bei Hits wie "Venus As A Boy" oder "Violently Happy" noch etwas begeisterter (keine Feuerzeuge!). Wenn Björk Kostproben ihres Stimmvolumens bot, setzte es Szenenapplaus wie im Theater oder beim Jazzkonzert. Trotzdem stellte sich nach kurzer Zeit Langeweile bei mir ein, denn Streicher, wenn sie nicht gerade streichen, sitzen mit ihren Instrumenten eben nur auf der Bühne herum. Als Soundeffekt wären sie problemlos durch eine Maschine zu ersetzen gewesen, aber das Liebäugeln mit den Insignien der Hochkultur (vgl. The Walkabouts, Tindersticks oder PJ Harvey) ist derzeit wieder ziemlich angesagt. Und Björk? Wenn sie nicht gerade sang, tanzte und hüpfte sie auf der Bühne umher; und ihr dabei zuzusehen, ist nicht gerade abendfüllend. Die paar Lichteffekte konnten die Leere auf der Bühne nicht übertünchen - allzuoft wähnte man sich in der Mini-Playback-Show.

Auffällig viele Besucher saßen in sich gekehrt auf dem Boden und wohnten der Darbietung mit geschlossenen Augen bei - vielleicht der richtige Weg: Den Club zur Wohnung machen, das Abhören von CDs als sozialer Akt. In musikalischer Hinsicht war erst der letzte Song vor der akustischen Zugabe ein auffälliger Schritt weg vom eingeschlagenen Hauptstrom, als Marc Bell seinen Maschinen ein verstörend heftiges Noise-Gewitter entlockte.


Ohne Schuhe und mit Trippelschritten tänzelte Björk über die Bühne, während Marc Bells Klanggewitter sich krachend entluden


Insgesamt also ein merkwürdig zwiespältiger Abend: ein gutes, aber wenig unterhaltsames Konzert, was aber wohl mehr an den Grenzen des Genres lag als an Björk - eigentlich ist solche Musik nicht für Konzerte geeignet, weil die programmierten Maschinen wenig Möglichkeiten für spontanes Reagieren lassen. Björk aber, das deutet sich derzeit an, wird in fünf Jahren die Maschinen einfach weglassen und dann solo zur Hanna Schygulla der Trip-Hop-Geneneration werden. Jede Wette!