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From Iceland with loveInterview: Steffen RüthFotos: ?
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Vom unbekannten Wesen der Isländer und Isländerinnen... Daß der Isländer - und die Isländerin - an sich ein kompromißloser Mensch ist, wird schon an den Trinkgewohnheiten deutlich. Unter einem Liter Wodka am Wochenend emachen sie es nicht. Auch die zierliche, nur gut 1,50 Meter große Björk nicht. Isländer halten es für Zeitverschwendung, bloß ein oder zwei Gläschen zu trinken. "Das ist ja so, als würde man bloß ein wenig flirten", sagt Björk mit einem Lächeln, und man kann sich denken, wie sie das meint. Ich schenke ihr einen Osterhasen aus den Beständen der Lufthansa-Verpflegung. Björk freut sich, steht auf und gibt mir einen Kuß. In Island gibt es nämlich gar keine Osterhasen. Das dortige Ostersymbol ist das Huhn. "Isländer denken sehr rational. Wir können uns nicht vorstellen, wie ein Hase die ganzen Eier legen soll." Auch ihre eigene Persönlichkeit betrachtet die 29jährige, die als Einzelkind in einer Art Hippie-Kommune bei ihrer Mutter aufwuchs und mit elf ihr erstes Album besang, mit einer gewissen Nüchternheit und Rationalität. Sie amüsiert sich über all die Klischees, die mit ihrer Person verbunden werden: Björk, die Prinzessin aus dem Eis, Björk, die niedliche Kindfrau, Björk, das große Rätsel. "Oh, danke schön, daß du sagst, du hälst mich für mysteriös. Ich fühle mich sehr geschmeichelt. Ich selbst empfinde mich als simpel, offensichtlich und ziemlich normal. Aber ich mag die mysteriösen Dinge im Leben sehr, wie rätselhafte Bücher oder Filme." Also bedarf das Bild, das die Medien von ihr zeichnen, einer Korrektur? Björk, die Durchschnittsfrau, die zufällig ein paar grandiose Lieder schreibt? "Ach nein, ich finde es gut, wenn jeder über mich denkt, was er will. Es ist wie mit dme Fluß da draußen. Von hier oben sieht er ganz anders aus als wenn wir ihn uns von einem der Schiffe aus betrachten würden. Es kommt auf die Perspektive an. Die Leute, die ein Foto von mir sehen, sehen mich nicht wirklich, sondern die Frau, die die Songs macht. Sie malen sich alle möglichen Dinge über mich in ihren Köpfen aus, aber ich bin nicht so, wie die Leute sich das vorstellen. Es ist in Ordnung, wenn jemand denkt, ich sei ein komischer Eskimo. Vielleicht sollte man ihm sagen, daß es in Island keine Eskimos gibt und daß ich nicht merkwürdig bin, sondern mit beiden Beinen auf dem Boden stehe, aber das würde seine Meinung sowieso nicht ändern. Die Leute sollen ruhig denken, ich wäre ein Hippie oder eine Feministin. Ich finde jede individuelle Meinung über mich interessant. Wäre doch langweilig, wenn jeder das Gleiche von mir denken würde."
Björk die Privatfrau ist weit weniger spektakulär als Björk die Künstlerin. Wenn sie dazu kommt, sitzt sie mit ihrem neunjährigen Sohn Sindri daheim in London vor der Glotze und schaut sich 'Ren & Stimpy' (eine Art 90er Jahre-Version von 'Tom & Jerry') an. Ihre exzentrische Seite, die ohne Zweifel auch vorhanden ist, lebt die 29jährige auf der Bühne - wie zuletzt in dem gigantischen roten Papierkleid bei den MTV European Music Awards - oder beim Songschreiben aus. "Wenn ich schreibe oder ein Konzert gebe, werde ich eins mit dem Song, ich verschmelze sozusagen in meiner Musik. Als Künstlerin ist es wichtig, deinem Instinkt zu folgen, du mußt dich selbst und dein Ego in der Musik vergessen können. Genauso verhält es sich übrigens auch mit gutem Sex. Wenn es richtig gut ist, wirst du selbst zum Ereignis." Der Wille zur Innovation ist Einstellungssache Ein Ereignis ist, wie bereits erwähnt, auch 'Post'. Zumindest die sieben der elf Stücke, die es vorab schon zu hören gab. 'Post' heißt es deshalb, weil sie die Songs alle in London geschrieben hat und nun im übertragenen Sinne nach Island schickt. Ein Brief, der bekundet, daß es ihr auch in der Fremde gut geht. Auch auf dem neuen Album arbeitet Björk mit Nellee Hooper zusammen, der schon 'Debut' produzierte. Die beiden setzen ihre eigenen Standards, schaffen extrem zeitgemäße Danceklänge, die gleichzeitig äußerst eigenständig und unverwechselbar sowieso sind. "Wenn ich Songs schreiben würde, die es schon gibt, könnte ich auch als Hausfrau in Island alt werden. Es ist mir schon wichtig, neue Ideen in die Musik einzubringen. Sicher ist Techno eine der innovativsten Musikarten zur Zeit, aber innovativ zu sein, ist erstmal Einstllungssache, ganz gleich welches Instrument du benutzt oder welche Art von Musik du machst. Du kannst auch mit einem Bleistift innovativ sein, wenn du zum Beispiel ein tolles Buch schreibst." Das Album, so BJörk, könne man sich in etwa so vorstellen, als laufe man mit geschlossenen Augen durch die Stadt. Dann hört man unzählige Klänge aus verschiedenen Zeiten, Vögel, den Wind, aber auch Autos, Telefone und Faxgeräte. 'Army Of Me' die erste Single, die auch auf dem Soundtrack zum Film 'Tank Girl' zu finden sein wird, überrascht mit aggressiven Industrial-Elementen, klingt beinahe Nine Inch Nails-mäßig. Das andere Extrem der Platte bildet 'Blow A Fuse (It's Oh So Quiet)', ein Jazz-Song, der im Original von 40er Jahre-Hollywood-Star Betty Hatton gesungen wurde. Um den Sound der Originalaufnahme möglichst treu zu bleiben, spielt auch ein 20köfiges Orchester in Björks Version mit.
Aufgenommen wurde 'Post' in den Compass Point Studios auf den Bahamas. Klingt nach Urlaub, war es aber eigentlich nicht. "Ich hasse es, faul zu sein. Faul sein kann ich nur, wenn ich das Gefühl habe, ich habe mir das verdient. Dann lege ich mich mit einem Gläschen Cognac oder einem schönen Eis in die heiße Badewanne." Doch auf den fast drei Millionen verkauften Exemplaren von 'Debut' wollte sich Björk nicht ausruhen. Immerhin war es eine Herausforderung und kein Kinderspiel, mit einem gleichermaßen überzeugenden Follow-Up aufzuwarten. "Kann sein, daß ich ein Workaholic bin. Zur Zeit arbeite ich jedenfalls 18 Stunden pro Tag. 1993 hatte ich insgesamt nur zwei Tage frei." Aus Berühmtheiten machen Isländer sich nichts Einen ungewöhnlichen Luxus leistete sich Björk auf den Bahamas immerhin. Ihren Gesang nahm sie draußen auf, anstatt im Studio. So wie früher, als sie auf dem Weg zur Schule immer gesungen hat. Je schneller sie rannte, desto lauter erklang damals ihre Stimme. "Ich habe fünfzehn Jahre lang draußen gesungen. Beim letzten Album haben wir zuviel an Knöpfen gedreht, um meine Stimme lauter oder leiser klingen zu lassen. Das wollte ich diesmal nicht. Wir haben uns ein unheimlich langes Kabeel für mein Mikro besorgt, und am Ende des Aufnahmetages, wenn es draußen schon dunkel war, bin ich damit raus gelaufen. Ich bin zum Ozean gegangen oder habe mich in den Büschen versteckt. Niemand konnte mich sehen im Dunkeln."
Ihren kindlichen Charme und ihre Unbekümmertheit, die nicht als Naivität mißverstanden werden sollte, hat sich Björk auch als Plattenmillionärin bewahrt. Der Rummel um ihre Person behagt ihr nicht sonderlich, die Rückzugsmöglichkeiten ins normale Leben werden ihr immer wichtiger. Gleichzeitig hat sie aber auch gelernt, mit ihrer Popularität zu leben. Denn Popstar ist sie bereits seit ihrem elften Lebensjahr. Damals nahm sie eine Platte auf, die in Island sehr erfolgreich wurde. "Die Songs stammten aber nicht von mir, sondern von irgendwelchen 35jährigen. Ich sollte über Liebe singen. Sachen, von denen ich damals noch keine Ahnung hatte. Außerdem habe ich es gehßt, daß mich jedes Kind in der Schule unbedingt kennenlernen wolte. Ich wollte nicht länger im Vordergrund stehen, deshalb habe ich danach in ungefähr zwanzig Bands mitgespielt." Die mit Abstand bekannteste davon waren die Sugarcubes, bei denen Björk bis zu Beginn ihrer Solokarriere sang. Natürlich war sie auch dort das Aushängeschild, mit ihrer Rolle als öffentliche Person hat sie sich weitgehend abgefunden. "Als Kind war ich sehr introvertiert. Ich liebte es, allein zu sein und später habe ich oft allein gecampt. Ich konnte mich immer gut mit mir selbst beschäftigen, das hat sich bis heute nicht geändert. Ich mag meine eigene Gegenwart, ich liebe es, allein Musik zu hören oder selber welche zu machen. Die wirkliche Herausforderung in meinem Leben ist die Kommunikation. Aber wenn du siebzehn Jahre lang Musik machst, lernst du, dich extrovertiert zu geben, wenn es darauf ankommt."
Aus Berühmtheiten machen sich Isländer ohnehin nichts. Auch deshalb ist Björk gern daheim, denn in Island braucht sie sich um den ganzen Popstar-Kram nicht zu kümmern. "In Island kennt sowieso jeder jeden. Niemand ist berühmt in Island. Vielleicht sind sie ein bißchen stolz auf mich, aber das lassen sie sich nicht anmerken. Meine Freunde und Bekannten fragen mich nicht nach meiner Karriere. Die erkundigen sich lieber, wie es Oma geht." Zum Thema "Frauen im Musikgeschäft" wird Björk in fast jedem
Interview gefragt, wie sie feststellt. Also auch hier und jetzt.
Da ist zunächst
mal der Eindruck einer niedlichen, irgendwie beschützenswerten Person,
der besonders in Männern geweckt wird, die mit ihr arbeiten.
Björk ist allerdings zu selbstbewußt, um darüber zu
lamentieren. "Ich schreibe meine
eigenen Songs und Texte. Ich manage mich selbst. ich gehe selber zu
Anwälten, wähle selber die Farbe meiner Tour-T-Shirts aus, auch die
Fotografen und die leute, die meine Videos drehen. Aber ich muß erst immer
fünfmal danach fragen, während ein Mann das wohl nicht
bräuchte. Es pißt mich oft an, daß
jeder meine Tasche tragen will, daß bei anstregenden Videodrehs
ständig Leute mit einem Kopfkissen für mich ankommen.
Es nervt mich, daß die Leute denken, ich wäre schwach und
zerbrechlich, aber die lernen schnell:
Ich bin stark und brauche die Kontrolle über meine Arbeit. Ich bin kein
Kontrollfreak, aber schließlich bin vor allem ich für meine
Songs und meine
Karriere verantwortlich. Songs sind wie Kinder. Du willst sie beschützen,
du gibst ihnen das beste Essen, die passendsten Kleider und die besten
ärzte. Du bekommst nicht einfach ein Kind und gehst dann weg. Mit Songs
ist es das Gleiche. Ich bin ihre Mutter. Ich weiß, was gut ist für
sie. Genau wie alle Kinder verschieden sind, ist jeder meine Songs anders.
Jeder hat seine eigenen Gefühle. Und das muß man respektieren."
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